Die Ausschilderung ist, wie nicht anders erwartet, etwas mangelhaft und so gelangen wir sehr schnell auf Abwege. Nach einer halben Stunde durch dunkles, unbewohntes Gebiet kommen wir in ein sehr belebtes, enges, kleines Kaff und wenden volle Konzentration dafür auf, dass wir nicht eine ganze Häuserzeile ins Dunkel stürzen. Unser Fahrzeug kommt mit seinen 3,95 Meter Höhe den tief hängenden Drähten, die wie Girlanden zu Dutzenden über die Strasse hängen, gefährlich nahe. Mir schwant bereits Schlimmes! Wenn das so weitergeht, kann es nur eine Frage der Zeit sein, bis ich im Rückspiegel ein Kabel samt improvisiertem Strommasten im Schlepptau erspähe.
Es wird fast elf Uhr nachts, bis wir auf eine grössere Tankstelle gelangen und beim Tankwart für Nachtparking nachfragen. Er ist, wie viele Bewohner der Küstenregion, afrikanischer Abstammung und seine schwarze Haut hebt sich nur unwesentlich vom Dunkel der Nacht ab. Dafür blitzen uns seine weissen Zähne und das Weiss der Augen umso eindrücklicher entgegen. Auf unsere Frage bezüglich der Sicherheit schwingt er seine Pump-Action-Flinte mit abgesägtem Lauf, die er locker über der Schulter hängen hat, nach vorn und meint, er hätte da ein gutes Argument und er schiebe die ganze Nacht Schicht.
Trotz sehr sicherem Gefühl verbringen wir eine „durchzogene“ Nacht. Es ist über 30° C warm und tropisch feucht. Dazu kommen die vielen Trucks, die fast die ganze Nacht über die Tankstelle anlaufen und dabei zuerst mit dem Motor runterbremsen und dann später ihre röhrenden Achtzylinder wieder durch alle Gänge hochdrehen.
Durch abwechslungsreiche, ländliche Gegenden mit vielen verschiedenen Früchteplantagen geht anderntags die Fahrt Richtung Süden weiter. Wir sind alle bester Stimmung und diese wird auch durch die vielen Speed-Blocker nicht wesentlich getrübt. Diese bremsen unseren Schwung vor Siedlungen alle paar Kilometer bis fast zum Stillstand runter, damit wir danach unsere schwere Fuhre wieder auf Tempo bringen müssen. Auch die Polizei- oder Militärkontrollen, die in Abständen von nicht mal 20 Kilometern die Strassen blockieren, stören uns nicht, meistens werden wir durchgewinkt. In Anbetracht der immer noch nicht restlos überwundenen Problemen mit den linksgerichteten FARC-Guerillas und den rechtslastigen Privat-Milizen begrüssen wir den Sicherheitsaufwand, den der Staat betreibt. Zudem befinden wir uns in der Grenzregion zu Venezuela, mit dem Kolumbien kein gutnachbarliches Verhältnis pflegt. Es heisst, dass der venezolanische Präsident und Sozialist Hugo Chavez die kolumbianischen FARC-Guerillas bei deren Rückzügen ins Hinterland nicht nur Unterschlupf auf venezolanischem Boden gewährt, sondern diese sogar aktiv unterstützt.
Was für uns als Besucher und Touristen in Kolumbien augenfällig ist und uns auch von Einheimischen bestätigt wird, ist der enorme Sicherheitsaufwand, der Unsummen von Geld verschlingt. Die Linken monieren, dass dadurch die Bildung und auch infrastrukturelle Aufgaben wie Strassenbau, Wasser- oder Stromversorgung vernachlässigt werden. Wie auch immer, der amtierende Präsident Alvaro Uribe, ein unabhängiger Hardliner, hat es mit sehr straffer Hand geschafft, das Land zu stabilisieren und nach Jahren bürgerkriegsähnlicher Zustände mit den Drogenkartellen, wieder Ruhe und Ordnung herzustellen. Kolumbien ist im internationalen Ranking bezüglich interner Sicherheit aus den hintersten Rängen verschwunden und ist heute für Touristen in weiten Regionen wieder ein recht sicheres Reiseland. Selbstverständlich gilt es auch hier, wie in allen Ländern mit grosser Armut, entsprechende Verhaltensregeln einzuhalten.
Nach mehreren hundert Kilometern in fast ebener Kulturlandschaft steigt das Gelände plötzlich an und die Strasse windet sich durch eine endlos scheinende Hügellandschaft, die jedoch ebenfalls praktisch vollständig bis in die steilsten Lagen kultiviert ist. Hauptsächlich werden Bananen und Kaffee grossflächig angebaut. Aber auch alle erdenklichen tropischen Früchte findet man auf den lokalen Märkten und wir probieren uns so ziemlich durch die ganze Palette durch.
Zwei Tage später erreichen wir die Hauptstadt Bogota, die auf 2’800 Meter Höhe liegt. Einen geeigneten und sicheren Parkplatz zum Übernachten finden wir in dieser 7.5 Millionen Metropole auch nach langem und nervigem Suchen nicht. Irgendwann verfahren wir uns und gelangen in der Innenstadt in enge, stark belebte Gassen. In der Not fragen wir zwei Polizisten in ihrem Pickup um Lotsenhilfe. Wir haben enorm Glück, der eine ist niemand geringerer als Colonel Jerez, Chef der örtlichen Polizeieinheiten. Ein sehr kompetenter und souveräner Mann. Er lotst uns nicht nur aus dem Chaos raus, sondern vermittelt uns nach einigen Funkgesprächen und Telefonaten auch noch einen absoluten Spitzenplatz zum Übernachten. Wir sind eingeladen, am Stadtrand im Grünen auf der Farm der Carabiñeros, der berittenen Polizei bei Sergeant Nelson Enrique Pimiento zu campieren. Zusätzlich werden noch ein Polizeioffizier und ein englisch sprechender Polizeiaspirant zu unserem Begleitschutz abkommandiert. Ob soviel Aufmerksamkeit sind wir fast beschämt, schätzen aber den Stadtbummel mit den beiden sehr, da wir sehr viele interessante Informationen bekommen.
Bogota ist eine stark polarisierende Stadt. Während ein Superreicher im Porsche Cayenne oder Mercedes hinter getönten Scheiben vorbeifährt, ist am Strassenrand gerade einer der vielen Bettler am Durchsuchen eines Abfallkübels nach noch Essbarem. Diese armen Kerle vegetieren fast wie Strassenköter als elende Kreaturen vor sich hin.
Bezüglich Fahrzeuge wird das allgemeine Strassenbild allerdings nicht durch „Nobelhobel“ deutscher Machart geprägt. Das sind eher seltene Erscheinungen in Grossstädten wie Bogota. Fast allgegenwärtig sind Fahrzeuge der Marke Renault. Modelle wie der legendäre 4er, die bei uns praktisch verschwunden sind, sind zu Tausenden noch im harten täglichen Einsatz. Daneben sieht man extrem viele Renault 12 und die weniger antiquierten Renault 18. Die Franzosen sind auch mit modernen Fahrzeugen noch gut vertreten, jedoch sind die Japaner und Koreaner in allen Segmenten seit Jahren stark im Vormarsch. Bei den neueren Jahrgängen sind die Ami’s mit einigen Modellen von Opel und Suzuki, die mit Chevrolet-Labels versehen sind, gut vertreten. Unschlagbar sind die Ami’s, wenn es um die alten Jahrgänge ab ca. 1950 in den Segmenten Trucks und Pickups geht. Bei den schweren Trucks sind es Peter Built, International und Kenworth und bei den leichteren Trucks, sowie Pickups vor allem Ford, Dodge und Chevrolet, die dominieren. (Ich kann es nicht leugnen, ich war früher ein absoluter Autofreak und auch heute noch schlägt mein Herz höher, bei soviel fahrbarer Kultur!)
Nach vier Tagen Grossstadt zieht es uns wieder raus in die Landschaft. Wir fahren Richtung Westen durch die Berge. Zum ersten Mal muss ich die einheimischen LKW-Fahrer so richtig bewundern, die hier tagtäglich in ihren teils alten Karren ohne synchronisierte Getriebe und Servolenkung ihr Handwerk verrichten. Über eine Strecke von gegen 200 Kilometern windet sich die Strasse um fast endlose Hügelketten immer wieder den Berg hoch und dann wieder runter. Eine Kurve reiht sich an die andere, nur selten gibt’s es Geraden von ein bis zweihundert Metern. Es ist etwa so wie dreimal Chur-Arosa und zurück an einem Stück. Das mag im PW Spass machen und auch für Fahrernaturen wie mich im LKW eine zeitlang, irgendwann wird es aber nur noch zur Rackerei. Ein/zwei Umdrehungen am Lenkrad nach link und zurück, dann das Selbe nach rechts und wieder zurück und dann wieder das Selbe nach links… – stundenlang! Dazu kommt noch das dauernde Kuppeln und Schalten.Ich komme echt ins Schwitzen und die Klimaanlage läuft am Anschlag. Lucia reklamiert, dass ihr bald die Zehen einfrieren werden, ich aber fahre wie meistens barfuss und kann trotzdem nicht verstehen, was es zu reklamieren gibt. Nichts desto Trotz – die Landschaft ist so faszinierend und überrascht immer wieder durch neue Facetten, dass die Stunden wie im Nu verfliegen.
Von der Hauptroute machen wir ein paar Abstecher. Wir fahren zum „Parque Nacional las Nevados“, wo wir am Parkeingang auf 4’000 Meter Höhe leider zurückgewiesen werden. Die Vorschriften lassen nur Fahrzeuge bis 8 Tonnen zu, da sind wir mit unseren rund 13 Tonnen leider zu schwer. Dafür hat sich die fantastische Landschaft aber trotzdem gelohnt und ebenso der Besuch der Thermen in der Gegend. Wir hocken im fast 40-grädigen, schwefelhaltigen Wasser, bis wir beinahe aufgeweicht sind. Danach sind wir nicht nur sauber, sondern porentief rein.
Wir sind auf den Geschmack gekommen und besuchen zwei Tage später noch eine weitere Therme. Dann folgt das Valle de Cocora mit seinen beeindruckenden Palmen (siehe Fotos).
Weiter im Süden, in Silvia, erfreut sich unser Auge das erste Mal an „Indigenas“ (die korrekte Bezeichnung für die Ureinwohner, der Begriff „Indio“ wird als abwertend empfunden) in ihren traditionellen Trachten.
Dann begeben wir uns das erste Mal so richtig auf Abwege ins „Nowhere“. Auf teils schmalsten Schotterstrassen und Karrenwegen fahren wir rund 150 Kilometer durch wilde Landschaft und schnuppern ein wenig Abgeschiedenheit und einen Hauch Abenteuer. Bisher sind wir uns eher als normale Wohnmobil-Touristen vorgekommen. Unterwegs besuchen wir die ca. 3’000 Jahre alten, unterirdischen Grabstätten von Tierradentro.
Ein bisschen auf den Geschmack gekommen für die alten Kulturen Südamerikas, wollen wir weiter im Süden noch San Agustin besuchen. Bei der Durchfahrt durch das enge und belebte Dorf passiert dann, was eigentlich schon lange hätte passieren müssen. Ein Geräusch vom Dach und mit den Armen fuchtelnde Passanten lassen mich blitzschnell in den Rückspiegel schauen. Ich sehe gerade noch, wie ein Kabel zu Boden fällt und Funken schlägt. Ich halte an und schaue mir die Sache an. Es ist ein ca. 10mm dickes, mehradriges Kabel und kein normales Netzkabel. Die paar Leute, die zusammenlaufen, zucken alle mit der Schulter und der eine meint, dass ein zu tief hängendes Kabel nicht unser Problem sein kann und deutet an, wir sollen doch weiterfahren. Das tue ich dann, wenn auch mit einem etwas unguten Gefühl.
Zwei Minuten später am anderen Ende des Dorfes hält uns ein Polizist an. Er meint nur kurz, dass wir sehr hoch seien und auf die Kabel acht geben sollen. Weiss er nun bereits davon, oder soll seine Mahnung präventiv sein?
Am nächsten Tag unternehmen wir einen mehrstündigen Ausritt auf sehr munteren, galoppfreudigen Pferden zu den archäologischen Grabstätten. Normalerweise sind solche „Touristenpferde“ eher lahm und bockig, wir aber scheinen Glück zu haben. Unsere drei Mädels, die alle Pferde verrück sind, kommen voll und ganz auf ihre Rechnung. Ich fordere dafür aber bei anderer Gelegenheit „murren freies Wandern“!
Am Abend als wir zu unserem Fahrzeug zurückkehren, warten dort bereits zwei Frauen auf uns. Es ist die Leiterin der örtlichen Schule für Kinder aus armen Verhältnissen mit einer Kollegin. Sie erklärt uns, dass sie wegen dem Kabel komme, dass wir heruntergerissen haben und sie deshalb im Schulgebäude keinen Strom und auch keine Datenleitung für den PC mehr habe. Sie erzählt etwas von Kosten um 400'000 Pesos (ca. CHF 200), die ihr der Elektriker als Voranschlag genannt hat.
Ich mache ihr über Lucia als Dolmetscherin klar, dass wir mit einem Fahrzeug unterwegs sind, das internationalen Normen und Standards entspricht und ich davon ausgehen kann, mich damit in der zivilisierten Welt überall gefahrlos bewegen zu können, ausser wenn die Höhe entsprechend signalisiert sei. Wenn ein Kabel zu tief hängt und das nicht signalisiert ist, darf dass nicht mein Problem sein, ausser mein Fahrzeug würde dadurch Schaden nehmen. Der Verursacher des Problems sei der Installateur oder die Instanz, die die Höhe überprüfen sollte. Die Diskussion geht ein Weilchen weiter, bis die Damen konsterniert abziehen und meinen, der Fall müsse durch die Polizei geprüft werden. Das ist mir auch recht!
Es vergeht keine Viertelstunde, da stehen die Damen wieder auf dem Platz mit dem Elektriker und dem Polizisten, der mich am Vortag noch aufgehalten hatte. Ich wiederhole nochmals mit aller Deutlichkeit meinen Standpunkt und dass ich nicht Verursacher des Problems bin. Der Elektriker nennt inzwischen einen Preis von uns immer noch als zu hoch erscheinenden 300'000 Pesos und dass die Schule nicht über so viel Geld verfüge, schon gar nicht, für solche ausserordentliche Ausgaben. Ich spüre denn Clinch, in der sich die Schulleiterin befindet. Sie hat so schon Mühe, genügend Geld von der öffentlichen Hand für ihren Schulbetrieb zu bekommen. Und jetzt noch das! Der Polizist hört sich die Diskussion eher aus dem Hintergrund an und als ich ihn direkt auf seinen Standpunkt anspreche, drückt er sich irgendwie herum. Er will einerseits seinen Landsleuten nicht in den Rücken fallen, gibt aber durch seine Gestik klar zum Ausdruck, dass er mich nicht in die Pflicht nehmen kann. Auch der Besitzer des kleinen Campingplatzes, auf dem wir logieren und der sich auch noch vermittelnd eingeschaltet hat, ist der Meinung, dass wir zu nichts verpflichtet sind. Inzwischen macht die Schulleiterin einen so zerknirschten Eindruck, dass ich schon bald Mitleid habe. Meine harte und zwischendurch auch etwas laute Haltung hat vorwiegend dazu gedient, zuerst mal ganz klare Fronten und Tatsachen zu schaffen. Bevor nun aber die Diskussion als endloses Pingpong-Spiel weitergeht, ist es an der Zeit, einen Kompromiss zu finden. Ich schlage vor, dass ich die Hälfte von den 300'000 Pesos übernehme und zwar nur im Sinne einer Goodwill-Aktion gegenüber den benachteiligten Kindern. Gegenüber einer Privatperson würde ich keinerlei Konzessionen eingehen. Alle scheinen mit diesem Kompromiss zufrieden zu sein und man verabschiedet sich dankend.
Am nächsten Tag gehen wir zur Schule, um den versprochenen Betrag zu überreichen. Zwei Elektriker sind bereits an der Arbeit, das neue Kabel einzuziehen. Wir lassen uns durch die Schule führen, und sehen, mit welch einfachen Mitteln die Leiterin tatsächlich auskommen muss.
In Mocoa, 100 Kilometer weiter südlich wollen wir nach der Überquerung einer Brücke Richtung Schotterpiste und Berge abbiegen. Dagegen scheint der Polizist, der sich nun aus der Gruppe seiner Kollegen löst und sich uns in den Weg stellt, etwas einwenden zu wollen. Er verlangt zuerst unsere Papiere, die er für in Ordnung befindet und will dann die Abmessungen unseres Fahrzeugs wissen. Er glaubt mir nicht so recht und lässt seinen Kollegen ein Messband holen. Die vor uns liegende Strecke sei sehr gefährlich und habe viele enge Kurven, wir seien dafür zu breit und es gäbe nicht viele Möglichkeiten zum Kreuzen. Lucia, die für solch nervenaufreibende Strecken wenig übrig hat und ohnehin lieber umdrehen und einen mehrere hundert Kilometer langen Umweg über die asphaltierte Hauptroute nehmen würde, übersetzt meine Einwände an den Polizisten nur ungern. Ich spüre, dass der Polizist uns nur vor uns selber schützen möchte und keinen rechtlichen Grund hat, uns aufzuhalten. Er denkt vermutlich, die Strecke sei für Touristen zu gefährlich oder unzumutbar. Schlussendlich kann er mich mit seinen Einwänden aber nicht davon abbringen und er muss uns etwas zähneknirschend fahren lassen. Dass ich mich unnachgiebig gezeigt habe, und die Warnungen von Offiziellen in den Wind schlage, wird mir innerfamiliär als verantwortungslos angekreidet und es gibt vorübergehend etwas Stunk!
Im Nachhinein stimmen mir jedoch alle zu, dass wir eine zwar sehr spannende bis abenteuerliche, jedoch nie speziell gefährliche Fahrt durch eine wilde, einsame Landschaft erlebt haben. Auch die rund ein Dutzend LKWs, die wir kreuzen mussten, haben kein nennenswertes Problem dargestellt.
Nun wird es Zeit von Kolumbien mit seinen so aufgestellten, freundlichen Menschen Abschied zu nehmen. Überall am Strassenrand oder aus fahrenden Autos raus haben wir winkende Menschen erlebt und hunderte Male haben sich Hände spontan zum bekannten Zeichen „Daumen hoch“ geformt. Die Menschen freuen sich und sind stolz, wenn man ihr schönes Land besucht und ihnen damit Wertschätzung entgegen bringt. Bei nur etwa einem Dutzend von den hunderten von Polizei- und Militärkontrollposten sind wir aufgehalten und kontrolliert worden. Nie haben wir Repressalien verspürt oder sind korrupte Forderungen an uns gestellt worden. Die Polizei ist immer sehr zuvorkommend und hilfsbereit gewesen. Wir haben sie im wahrsten Sinne des Wortes als „dein Freund und Helfer“ erlebt.
Kolumbien, das Land, vor dem wir im Vorfeld grossen Respekt hatten und das so viele Europäer wegen seiner bewegten Vergangenheit heute noch meiden würden wie der Teufel das Weihwasser, ist für uns zum absoluten Aufsteller geworden. Es hat kaum einen Augenblick gegeben, in dem wir ein ungutes Gefühl oder gar Angst wegen menschlicher Bedrohung verspürt hätten. Zugegebenermassen ist Angst ein subjektives Gefühl und als Grösse nicht messbar. In der gleichen Situation kann der eine Angst und Bange verspüren und ein anderer fühlt sich wohl und sicher. Ich denke, dass wir schon über ein durchaus gutes Sensorium für Gefahren verfügen und wir kennen auch das Gefühl der Angst. Wir sind diesbezüglich sicher nicht resistent. Vielleicht hatten wir aber auch nur Glück oder wir werden als Familie mauch unsereit drei Mädchen ganz anders wahrgenommen und mit mehr Respekt behandelt, als Einzelreisende oder Pärchen. Wie auch immer, die Geschichten von korrupten Beamten, die sich von Touristen mit fadenscheinigen Forderungen eine Lohnaufbesserung holen oder Trickbetrüger, die ihre Opfer auf fiese Art ausnehmen, sind uns nicht passiert. Darum auch von unserer Seite – „thumbs up“!
Ecuador
Nachdem sich die Ausreiseformalitäten auf der kolumbianischen Seite bloss als Lappalie von ca. 45 Minuten herausstellen, haben wir bei den zwar sehr viel moderner eingerichteten Ecuadorianern etwas Pech. Die Computeranlage ist ausgefallen und wir warten fast eine Stunde, bis unsere Pässe gestempelt sind. Es folgt nun noch eine halbe Stunde mit Organisieren von verschiedenen Kopien, die die Abteilung „Fahrzeugeinfuhr“ von uns verlangt. Aber auch diese Hürde schaffen wir Dank sehr freundlichen und hilfsbereiten Beamten locker.
Bereits auf den ersten paar Kilometern in Ecuador merken wir, dass wir uns in einem anderen Land befinden. Am augenfälligsten ist der Unterschied bei der Fahrzeugflotte, die viel moderner ist. Ganz speziell fallen uns die um einiges grösseren und neueren Trucks auf. An der ersten Tankstelle spüren wir den Unterschied dann auch sehr erfreulich im Portemonnaie. Wenn wir in Kolumbien für eine Gallone Diesel (ca. 3.8 Liter) im Schnitt noch 5’600 Pesos (ca. CHF 3.00) berappen mussten, so kostet die Gallone hier nur noch 1 US$.
Auch die Landschaft verändert sich sehr schnell und wird viel trockener und brauner und bald tauchen am Horizont die ersten Vulkane mit ihren weissen Gipfeln auf. Aber bevor wir uns in die Einsamkeit der Berge begeben, wollen wir den berühmten Sonntagsmarkt von Otovalo ganz im Norden von Ecuador besuchen. Dafür stehen wir extra sehr früh auf, um noch vor den grossen Touristenströmen durch die unzähligen Stände zu flanieren. Neben all den fürs tägliche Leben notwendigen Dingen wird auch sehr viel „Artesanias“, von Hand gefertigte Souvenirs, angeboten. Allerdings entpuppt sich das eine oder andere vermeintlich Einheimische als billiger China-Import! Was uns am meisten fasziniert, sind die Frauen in ihren traditionellen Trachten mit den weissen bestickten Blusen und die Männer, die ihr oft langes, rabenschwarzes Haar zu einem Zopf zusammengebunden haben.
Bloss ein paar Fahrstunden weiter südlich folgt als nächste Etappe Quito, die Hauptstadt Ecuadors. Wir suchen lange herum, um einen geeigneten Nachtplatz zu finden und gelangen dabei auch in die Altstadt mit ihren engen Gassen. Irgendwann fragen wir einen Uniformierten nach einer Parkmöglichkeit. Er misst mit seinen Augen scheinbar kompetent die Höhe unseres Fahrzeugs ab und schickt uns zu einem nahen „Parqueadero“. Wir frohlocken! Am besagten Ort angekommen können wir leider keinen „Parqueadero“ ausmachen und fragen erneut einen Uniformierten. Auch er misst mit seinen Augen kurz unser Fahrzeug ab und deutet uns in Richtung Parkhaus. Ja Bravo! Das liegt zwar nur ein Steinwurf entfernt, ist aber von weitem als Parkhaus mit einer Höhenlimite von zwei Metern erkennbar. Damit ist unser Vertrauen in die Kompetenz irgendwelcher Uniformträger erstmals tief erschüttert. Zudem hat man uns in dermassen enge Gassen geführt, dass es kein Zurück mehr gibt. Angesichts der Umgebung in der wir uns nun befinden, fühlen wir uns mit unserem „Monster“ echt deplaziert und wir ziehen etwas beschämt die Köpfe ein. Die schmale Brücke vor uns schaffen wir knapp, doch das Kabel, das dann folgt, hängt nicht nur leicht zu tief, sondern quert unsere Frontscheibe auf halber Höhe. Ich muss wieder mal den Affen spielen und mich aufs Dach hangeln, um das das Kabel auf die Kabine zu heben. Ich fahre dann zwei Meter vor und hangle nochmals hoch, da es sich bereits beim nächsten Hindernis, dem Aufbau verhackt. Das geht dann noch dreimal so, denn es folgen das erste Dachfenster, die Solarpanels und das hinterste Dachfenster, allesamt verkappte „Fanghacken“. Die erstbeste Abbiegung Richtung breiteres Gefilde ist dermassen schmal, dass ich sie nur mit dreimal vor und zurück schaffe. Das natürlich nicht ohne das obligate Hupkonzert, das sich bei Wartezeiten ab 2.5 Sekunden überall und sofort einstellt. Dass ich nicht bei jeder solchen Situationen ruhig bleiben kann, ist hoffentlich verständlich und wer mich näher kennt, weiss, dass dann das eine oder andere unflätige Wort fallen kann oder ich gar ins Fluchen komme wie ein Rohrspatz.
Eine Stunde später – am Flughafen hat man uns inzwischen zurückgewiesen und ein privat geführter „Parqueadero“ hat auf unser Klingeln hin nicht geöffnet – haben die Mitarbeiter einer Busreparaturstation Erbarmen und lassen uns bei ihnen nächtigen. Natürlich hätten wir uns auch einfach irgendwo in einer ruhigen Strasse hinstellen können, wie wir das in kleineren Orten auch schon gemacht haben. Dafür aber hat uns Quito als Grossstadt einen zu schlechten Ruf und unser Sicherheitsbedürfnis ist der Mädchen wegen auch höher als auf früheren Reisen.
In der Altstadt entpuppt sich Quito mit seinen vielen hübschen Gassen und den vielen, oft bloss zweistöckigen Kolonialhäusern dann allerdings als eher Kleinstädtisch. Dafür aber zeugen die Plaza Grande und Plaza San Francisco mit ihren „Palacios“ und Kirchen von einer pompösen Gründungsgeschichte. Drei Tage geniessen wir die schöne Atmosphäre von Quito und besichtigen mehrere der absolut prunkvollen Kirchen, zwei Museen, eine Kathedrale und ein Kloster. Ich hoffe nun aber, dass nicht der eine oder andere meiner Freunde diese Aufzählung als „Steilvorlage“ für eine religiöse Grundsatzdiskussion missbraucht!!
Dann haben wir wieder genug von Menschengedränge, Abgasen und Zivilisationslärm. Auf unserem Reiseplan steht nun wieder Natur pur. Unweit von Quito ist einer von Ecuadors schönsten Nationalparks, der „Parque Nacional Cotopaxi“ mit seiner Hauptattraktion und Namensgeber, dem Vulkan Cotopaxi. Mit seinen 5'897 Metern ist er der zweithöchste Berg Ecuadors und ab knapp 5’000 Metern mit ewigem Schnee und Eis bedeckt. Direkt am Fusse des Vulkans an der „Laguna de Limpiopungo“ mit fantastischer Aussicht, nächtigen wir zweimal. Abends beobachten wir jeweils, wie ein paar Reiter die weit versprengten Gruppen von halbwilden Pferden über die weite Ebene zu einer Herde von nahezu hundert Tieren zusammentreiben. Eine solche Riesenherde in vollem Galopp über die Steppe fegen zu sehen, ist nicht nur für unsere pferdeverrückten Mädels ein faszinierender Anblick, sondern auch für Lucia und mich eine Augenweide. Die Nächte allerdings sind nicht sehr erholsam, zu heftig fegt der Wind über die Ebene und schüttelt unser Fahrzeug heftig durch und auch an die Höhe von gut 3'800 Meter haben wir uns noch nicht richtig gewöhnt.
Am zweiten Tag fahren wir bis auf ca. 4'500 Meter hoch. Von dort marschieren wir zur Berghütte auf 4'800 Meter Höhe. Das relativ gute Wohlbefinden in dieser dünnen Luft weckt unseren Ehrgeiz, wir wollen trotz heftigem Wind und Nebelfetzen unbedingt bis zum ewigen Eis hoch. Ein Weilchen lang begleitet uns mit gesundem Abstand ein Fuchs, der durch die Hüttenabfälle angelockt wird. Am Fusse des Gletschers hat Lucia genug. Die Mädchen und mich aber zieht es noch weiter. Auf 5'100 Metern Höhe, inmitten von beängstigenden Gletscherspalten und skurrilen Eisformationen ist aber Schluss. Die dünne Luft fordert ihren Tribut. Unsere Schädel brummen und die Puste ist draussen. Wir geniessen diese archaische Atmosphäre aber trotzdem in vollen Zügen und gönnen uns noch die mitgebrachten Farmerstängel.
Am nächsten Tag versuchen wir den Park auf Drittklasswegen, die auf der Karte nur vage eingezeichnet sind, wieder zu verlassen und verfahren uns prompt. Durch zwar wunderschöne Steppenlandschaft aber über lange Umwege auf katastrophalen Karrenwegen gelangen wir zum Parkausgang.
Eine weitere Attraktion Ecuadors steht auf dem Programm, der Quilotoa-Loop. Diese grosse Rundfahrt durch bergiges Hinterland führt einen durch schöne Kultur-Landschaften und interessante, abgelegene Dörfer zur eigentlichen Sehenswürdigkeit, der Laguna Quilotoa, einem in der Sonne herrlich dunkelblau leuchtenden, grossen Kratersee. Über einen wild-romantischen Weg steigen wir vom Kraterrand zum See runter, wo wir im Schatten eines Baumes bis am Abend die schöne und ruhige Atmosphäre geniessen.
Inzwischen ist es bereits längere Zeit her, seit wir üppiges Grün gesehen haben, und zudem lockt uns etwas „Action“ ins Amazonasbecken. Über Baños, einen für seine Thermen bekannten Ort gelangen wir ins feucht-warme Tiefland des Amazonasbeckens auf das nur noch 670 Meter über Meer liegende Tena. Tena ist Ecuadors Mekka der Wildwasserfahrer und auch uns gelüstet es nach Paddeln. Leider regnet es am vereinbarten Morgen, was uns etwas ärgert. Später, als wir im Dschungel in voller Montur mit Schwimmweste und Helm am Ufer eines wilden Seitenarms des Rio Napo stehen, stellt sich jedoch heraus, dass dies der Stimmung überhaupt kein Abbruch tut. Im Gegenteil, nass, so versichert uns unser „Guide“, werden wir sowieso und um Sonnenschutz müssen wir uns auch nicht kümmern. Und in der Tat, bereits auf den ersten paar hundert Metern, bevor es richtig heftig wird, löst unser „Guide“ seine „Drohung“ ein und fordert uns auf, „Mann über Bord“ zu üben. Die Ernsthaftigkeit in seiner Stimme lässt unsere erste Hoffnung, es könnte sich bloss um eines seiner Spässchen handeln, verblassen und so lassen wir uns einer nach dem Andern in den Kleidern rückwärts vom Schlauchboot ins kalte Nass fallen.
Wir haben auf dem Fluss mit Schwierigkeitsgrad 4, das ist die letzte Stufe, bei der auch „kleine“ Mädchen noch mitdürfen, fast vier Stunden lang einen Riesenspass und geniessen das üppig grüne Szenario rundherum in vollen Zügen.
Natürlich machen auch hier, wie überall im Amazonasbecken, Räubergeschichten die Runde. So spasst unser „Guide“ mit Anakondas herum, die überall lauern sollen, obwohl es solche in dieser Gegend gar nicht mehr gibt. Und auch die Geschichte, man soll nicht im Fluss Pinkeln, kriegen wir aufgesetzt. Es gäbe Würmer, die dem Geschmack des Urins folgen und dann mit Vorliebe den Weg die Harnröhre hoch nehmen, um sich dann einzunisten. Diese Würmer mag es schon geben, aber sicherlich nicht in kalten und sehr stark fliessenden Gewässern wie hier. Zur allgemeinen Belustigung tragen solche Geschichten aber alleweil bei.
Unser nächstes Ziel ist Misahuallí, das 20 Kilometer weiter unten am Rio Napo liegt. Früher war es ein beliebter Knotenpunkt für diverse Dschungeltouren. Heute ist es ein eher verschlafener Ort, da die meisten Touristen ihre Touren bereits in Quito buchen. Wir fahren mit einem langen, schmalen Flussboot einige Kilometer den Fluss runter zu einer kleinen Kommune. Ein Einheimischer führt uns herum und erklärt uns viele interessante Dinge über das Leben im Urwald und über Flora und Fauna. Er zeigt uns die Curare-Sträucher, aus denen das berüchtigte, tödlich wirkende Gift für die Blasrohrpfeile der Ureinwohner gewonnen wird. Aber auch Pflanzen, denen grosse Heilwirkung für viele Krankheiten und Gebrechen zugesprochen werden und deren Wirkstoffe durch die internationalen Pharmaunternehmen verwendet werden, kriegen wir gezeigt. Dazu haben unsere Mädchen noch ihren Heidenspass mit ein paar kleinen, zahmen Äffchen.
Nach dem Dschungel zieht es uns ans Meer. Wir überqueren die Anden Richtung Westen und gelangen in Manta an den Pazifik. Etwas weiter südlich liegt der „Parque Nacional Machalilla“, berühmt für seine einsamen Strände, seine der Küste vorgelagerten Inseln und den tropischen Trockenwald (siehe Bilder). Im nahen Puerto López buchen wir eine Walbeobachtungstour. Grössere Verbände von Buckelwalen ziehen über 7’000 Kilometer von der Antarktis in den Norden bis in die Gegend von Ecuador, wo sie auch vor Puerto López gute Nahrungsgründe vorfinden. Hier verweilen sie von ca. Juni bis September um zu gebären, für ca. drei Monate zu stillen und auch die Balz abzuhalten. Die Bootsführer wissen natürlich recht genau, um welche Tageszeit sie wo mit dem Auftauchen dieser wundervollen, riesigen Säugetiere rechnen können. So ist es auch bei unserer Tour nur eine Frage der Zeit, bis plötzlich allgemeine Aufregung entsteht und in einiger Entfernung ein kleiner Sprühnebel das Ausatmen eines Wals signalisiert. In den folgenden 2 Stunden sichten wir ein gutes Dutzend Wale. Die einen so nahe am Boot, dass diese gegen 40 Tonnen schweren und 12-16 Meter langen Riesengeschöpfe schon fast greifbar werden. Wir sind alle so fasziniert, dass wir fast nicht genug kriegen. Wir möchten unbedingt noch einen Wal springen sehen. Dieses Finale erleben wir dann tatsächlich, nachdem wir bereits für die Rückfahrt abgedreht haben. Schlicht phantastisch wie elegant sich diese massigen Tiere durch die Fluten bewegen und sich scheinbar mit Leichtigkeit aus dem Wasser katapultieren!
Am Strand von Puerto López bestaunen wir am nächsten Morgen die wahnsinnige Vielfalt an Fanggut der lokalen Fischer. Von 10cm Fischchen, die zu hunderttausenden in die Netze gehen bis zu Thunfischen, Haien, Rochen und diversen Krustentierarten finden wir alles. Viele Fische werden direkt am Strand zugeschnitten und verkaufsfertig gemacht. Was wir am Strand noch als eher unappetitlich empfinden mit all den Eingeweiden, den Abschnitten und dem strengen Geruch, dazu oft mit Sand paniert, bestaunen wir eine Stunde später zum Teil wieder auf dem Markt. Nun aber sind sie fein säuberlich hergerichtet und auf Eis gelegt. Wir kaufen für nur 5 US$ ein Kilo Riesencrevetten. Am Abend, nachdem diese genüsslich verschlungen sind, geniessen wir in diesem touristischen Ort entlang der vielen Souvenirshops und den Strandbars etwas Südsee-Ferienstimmung. So lassen wir uns in den Liegestühlen bei lautem Sound und Fackellicht Longdrinks servieren.
Mich drängt es weiter und so geht die Fahrt entlang der Küste Richtung Süden nach La Libertad und von dort auf der bisher besten Strasse diese Landes, einer perfekt asphaltierten, breiten Hauptstrasse mit 100 Sachen nach Guayaquil, der grössten Stadt Ecuadors. In diesen Breitengraden wird es leider immer schon sehr früh Nacht. Um sechs geht die Sonne unter und 15 Minuten später ist es stockdunkel. Eine längere Dämmerungszeit, wie wir sie von zu Hause kennen, gibt es um den Äquator herum nicht. Wenn die Sonne weg ist, ist es oft fast so, als ob der Lichtschalter gedreht wurde. Lucia ist nicht begeistert, dass ich die Stadt noch durchqueren will, sie hasst Nachtfahrten, speziell in unbekannten Grossstädten. Wir fragen mindestens 10 Mal nach der besten Transitstrecke, die man, wenn einmal gefunden, auch schnell wieder verliert. Wegweiser an grossen Kreuzungen sind entweder inexistent oder dann verwirrend. Nach eineinhalb Stunden haben wir uns aber durch den Feierabendverkehr durchgekämpft und sind auf der anderen Stadtseite. Auf einer Tankstelle an einer stark befahrenen Strasse verbringen wir eine kurze und unruhige Nacht.
Erneut führt uns unsere Route in die Anden hoch. Über Guaranda und Cajabamba gelangen wir ins südliche Hochland. Durch eine faszinierende Hügel- und Bergwelt geht die Fahrt geradewegs Richtung Süden, Peru entgegen. Manchmal vernichten wir innerhalb 30 Minuten an die 2’000 Höhenmeter, um uns diese bei der nächsten Bergkette wieder hoch zu kämpfen. In Cuenca, bekannt als „sauberes Juwel des Südens“ stellen wir uns mangels anderer Möglichkeiten, und es ist bereits wieder dunkel, einfach in eine Seitenstrasse des Bankenviertels. Wir wollen in dieser wunderschönen Kolonialstadt etwas „Night Life“ erleben und ziehen bis spät abends durch die herausgeputzten Strassen und Bars.
In Loja, nur noch eine gute Tagesreise von Peru entfernt, fragen wir nach dem Strassenzustand durchs Hinterland. Wir entschliessen uns nun definitiv, die Route durch abgelegenes Gebiet nach Namballe, einem nur selten gebrauchten Grenzposten in Peru zu nehmen. Bei unserer letzten Übernachtung vor der Grenze werden wir vorgewarnt, dass sich anderntags auf den letzten 15 Kilometern bis zu 3'000 Menschen auf der Strasse befinden können. Es ist die Pilgerwanderung zur „Virgen de …“, den Rest haben wir nicht verstanden, es gibt hier so viele davon! Auf jeden Fall machen wir uns extra früh auf den Weg, um noch vor den grossen Pilgerscharen durch zu kommen. Ab acht Uhr soll die Strecke gesperrt sein. Wir schaffen es der schlechten Strasse wegen erst gegen viertel nach Acht bis nach Zumba. Wir sehen bereits scharenweise Menschen aus Bussen strömen und sich versammeln. Am Ausgang des Dorfes werden wir durch die Polizei gestoppt. Nach einigem Überlegen und nach mehrmaligem Konsultieren seiner Armbanduhr und auch auf unser drängen hin lässt uns der „Officer“ mit Ermahnung langsamen Fahrens passieren. Und in der Tat, auf der schmalen Schotterstrasse versuchen wir uns mit sowenig Staubentwicklung wie nur möglich an Hundertschaften von Pilgern vorbei zu schleichen. Nach ca. sechs Kilometern steht bei einer Siedlung plötzlich ein improvisierter Torbogen mit Blumengesteck vor uns. Damit scheint man den Weg der Pilger zu schmücken. Es wird knapp mit der Höhe und so hieve ich Gillian aufs Dach, damit sie den etwas flexiblen Bogen über die Ecken unseres Aufbaus bis nach hinten Stück für Stück nachschieben kann. Wir gucken einander gross an und hoffen, dass es sich hier um ein Einzelexemplar handelt. Zwei Minuten später aber folgt bereits der nächste! Diesen kann ich über einen Feldweg jedoch umfahren. Doch nur 200 Meter weiter folgt der Dritte! Da hilft alles nichts mehr, wir müssen ihn einseitig aus der Verankerung lösen. Lucia und Leonie heben das Ding einseitig an und schwenken dann den ganzen Bogen zur anderen Seite rüber, damit ich passieren kann. Bei der Aktion muss das edle Teil leider etwas Haare, beziehungsweise Blumen lassen. Wir hoffen, dass der religiöse Eifer der paar einheimischen Zuschauer nicht all zu gross ist und unser Tun nicht als Frevel gedeutet wird. Dem scheint nicht so, man lässt uns unbehelligt ziehen. Wir haben auch weiterhin Glück, denn die weiteren Blumenbögen sind bei unserer Durchfahrt noch allesamt in Arbeit und stellen keine weiteren Hindernisse mehr dar.
Die beiden Grenzposten an jeder Seite des Grenzflusses bestehen nur aus ein paar wenigen Häusern und einigen Hütten. Die Ecuadorianer machen es echt unbürokratisch und die Formalitäten sind nach 10 Minuten erledigt. Auf der peruanischen Seite ist es auch keine Riesengeschichte, jedoch tut sich ein älterer Beamter relativ schwer mit der Schreiberei und nimmt es überkorrekt. Sein junger, smarter Kollege, seinem Aufzug im Sporttrainer nach zu urteilen nicht im Dienst, ist ihm aber behilflich. Seine etwas verhohlen verdrehten Blicke, die er uns zuwirft, sprechen Bände. Er nervt sich sichtlich, ob der Kompliziertheit seines Kollegen und scheint sich uns gegenüber etwas zu schämen. Schliesslich kommt es pro Monat nur ein/zweimal vor, dass internationale Reisende hier durchkommen und trotzdem möchte man da nicht allzu unprofessionell erscheinen. Die paar Blicke in unser rollendes Eigenheim von zwei weiteren Beamten, die schlussendlich noch folgen, dienen eher der persönlichen Neugier, denn zolltechnischer Überprüfung. Vor uns wird fast schon feierlich der etwas ramponierte, ins Alter gekommene Schlagbaum hochgezogen und wir werden durchgewinkt. Alles in allem wird auch dieser Grenzübertritt zu einer recht lockeren Sache und ist unter zwei Stunden vollzogen. Wir sind in Peru und somit in einem der Länder, das bei uns als „Highlight“ figuriert.