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Es scheint halt doch nicht ohne zu gehen - ohne diese verflixte Hektik in den letzten Tagen und Stunden vor der grossen Abreise. Zugegeben, die Voraussetzungen sind auch nicht ganz optimal gewesen. Zu spät haben ich mich aus meinem Job lösen können, in zu vielen Details habe ich mich zeitlich verrannt, weil ich sie perfekt lösen wollte und zu undiszipliniert bin ich mit dem Faktor Zeit umgesprungen.

Am 2. Juni 2009 um 16:00 Uhr ist es aber soweit und pünktlich treffen die ersten Gäste ein. Ich besorge noch ganz schnell zwei Fässchen kühles Bier und als sich unser kleiner Festplatz langsam füllt, stelle ich mich noch kurz unter die Dusche. Schliesslich will man sich für den grossen Abschied etwas fein machen! Derweil kümmern sich unsere drei Mädels und Lucia um die Gäste.
 
Nach rund zwei Stunden Plauderei und stolzem Vorführen unseres fahrenden Eigenheims ist es soweit, die ersten Gäste fragen nach dem genauen Zeitpunkt der Abfahrt. Nicht dass man uns langsam loswerden möchte - nein, aber den Abschiedsschmerz unnötig in die Länge ziehen muss ja nicht sein. So machen wir den letzten Rundgang durchs Haus und verabschieden uns danach von unserer Familie, von Freunden und Nachbarn.

Natürlich fliessen da und dort Tränen, ist ja schliesslich ein rührender Moment und ein Abschied für ein Jahr mit so grosser Distanz lässt unsere Herzen natürlich bis zum Halse klopfen. Unter einem Blitzlichtgewitter und mit lautem Hupen entschwinden wir der rührend - fröhlichen Szene und biegen mit einem letzten Fanfarenstoss um die erste Kurve. Für die Zurückgebliebenen muss es wie ein Spuck gewirkt haben, für uns aber beginnt eine sehr lange, spannende Reise. 

Nach rund einer Stunde Fahrt machen wir kurz Halt auf einem Autobahnparkplatz vor dem Bölchentunnel. Als wir weiterfahren wollen, kommt der grosse Schreck! Die Kupplung lässt sich nicht durchtreten und die Feststellbremse löst sich nicht. Das darf doch nicht war sein! Noch vor zwei Stunden habe ich mich mit Freunden darüber ausgelassen, dass wir auf dieser Reise und mit diesem Fahrzeug sicher keine nennenswerten Pannen haben werden. Nicht so wie bei unserem letzten grossen Trip, wo wir andauernd rumgeschraubt haben.

Ich steige aus und inspiziere das Fahrzeug, um eventuelle Leckagen in der Druckluftversorgung festzustellen, finde aber vorerst nichts. Na ja, sagen wir uns, dafür haben wir schlussendlich den TCS. Bevor ich jedoch diesen Aufbiete, gehe ich noch kurz zu den beiden Streifenpolizisten hin, die gerade einen LKW überprüft haben.

Einer von ihnen ist ausgebildeter Automechaniker und begibt sich unter unser
Fahrzeug. Mit in mittleren Drehzahlen laufendem Motor zeigt sich nun sehr schnell, wo der Fehler liegt. Ein Druckluftschlauch hat sich gelöst und macht sich nun mit deutlichem Zischen bemerkbar. Schnell ist dieser am richtigen Ort fixiert. Vielen Dank den beiden „Freunden und Helfern“. Mit inzwischen wieder normalisiertem Puls geht die Reise weiter.

Um ca. 23:00 Uhr  machen wir irgendwo zwischen Colmar und Strassburg auf einem Autobahnparkplatz Nachtrast und verbringen 15 Meter neben der Autobahn eine sehr unruhige erste Nacht.

Die Weiterfahrt am andern Tag bis Antwerpen verläuft planmässig und auch die Formalitäten mit unserem Agenten am folgenden Tag sind schnell und unkompliziert erledigt. Etwas nervös werden wir erst wieder einen Tag später bei der Abgabe unseres Fahrzeugs. Nun folgt eine Nacht im Hotel und wir haben einen ganzen Tag Zeit, um Antwerpen zu erkunden.


Im Gleichschritt unterwegs vom Hotel zum nahen Hafen...

Dann kommt für uns der spannende Moment! Wir packen unsere schweren Rücksäcke und Taschen und marschieren vom Hotel zum nur einen Kilometer entfernten Dock, wo die Horncliff vertäut ist und gerade mit monsterhaften Kränen und schweren Maschinen von ihrer Last – tonnenweise Bananen und Ananas - befreit wird. Wir kraxeln mit unserer Bagage die schmale und wackelige Gangway hoch zum Deck, wo wir durch den Chef-Stewart herzlich begrüsst werden. Die ganze Mannschaft setzt sich aus Littauern, Russen und Ukrainern zusammen.


Unser Schiff, die Horncliff, ist ein schnelles Kühlschiff, nicht riesig aber stattlich

Die Zimmer sind nett hergerichtet mit einem Begrüssungstrunk, Früchtekorb und Pralinen. Die Ausstattung ist funktional und robust, wie man das auf einem Frachtschiff erwartet. Jedoch sind die Zimmer etwas verstaubt und auch der Zahn der Zeit hat bereits übermässig seine Spuren hinterlassen. Insgesamt fühlen wir uns aber sehr wohl und gut aufgehoben. Das Essen ist sehr gut und auch reichlich.

Nach der ersten Nacht an Bord folgt die Ausfahrt aus dem endlos scheinenden Hafen von Antwerpen, der nach Hamburg und noch vor Rotterdam der zweitgrösste Europas ist. 


In Le Havre in der Normandie folgt dann spät nachts bereits der erste Zwischenstopp, um anderntags Fracht aufzunehmen. Es ist absolut faszinierend, zuzuschauen, wie riesige Monster von Kränen die tonnenschweren 40-Fuss Container wie Schuhschachteln durch die Lüfte sausen lassen um diese dann präzise auf dem Schiff zu stapeln. Im Zeitdruck wird schon auch mal ein Container von einem halben Meter plumpsen gelassen, dass es nur so kracht und bebt. Das Material muss einiges aushalten, brachial, wie die Jungs damit umspringen. Danach geht es weiter Richtung Atlantik auf die grosse, weite Überfahrt.


Unser Schiff beim Be- und Entladen, die Dimensionen sind gewaltig!

Nun befinden wir uns bereits auf halber Distanz zu den Azoren. Wenn wir gestern in der nähe zu Frankreich noch regelmässig andere Frachtschiffe rundherum gesichtet haben, sind wir seit heute Morgen früh absolut alleine unterwegs. Rundum ist bis zum scharf gezogenen Horizont  nur noch Wasser zu erblicken.

Trotz recht moderatem Wellengang stampft die Horncliff mit ihren 152 Metern Länge und 28 Metern Breite beachtlich stark durch die Fluten. Der Bug hebt sich in regelmässigen Abständen um zwei bis drei Meter, um danach mit einem tosenden Geräusch wieder in die Fluten einzutauchen. Zum Glück befindet sich die Brücke mit den ganzen Aufbauten weit hinten, wo die Bewegungen wesentlich moderater ausfallen. Trotzdem haben wir die ersten beiden Tage unsere Mühe mit dem Seegang. Speziell beim Training im Kraftraum unter Deck oder beim Tischtennis spielen befällt uns leichte Übelkeit. Langsam haben wir das mulmige Gefühl und die flauen Mägen jedoch überwunden und uns dem Rhythmus des Seegangs angepasst.

Von den Azoren selbst bekommen wir nicht viel mit. Spät abends erspähen wir zuerst dunkle Umrisse am Nachthimmel und später dann die Lichter einiger Dörfer. Das Anlegen im Hafen warten wir nicht mehr ab, wir sind zu müde. 

Bisher ist das Wetter recht kühl und durchzogen gewesen, doch nach den Azoren wird es nun täglich ein paar Grad wärmer und unsere Mädels sind überglücklich, als endlich der kleine Swimmingpool auf dem Achterdeck mit Meerwasser geflutet wird. Von nun an tollen sie täglich schon nach dem Frühstück für Stunden im Wasser.


Blick von der Kommandobrücke übers Vorschiff, Tausende von Seemeilen rundum nur Wasser...

In der Karibik machen wir auf Martinique und Guadeloupe Zwischenhalt. Die jeweiligen Landausflüge stimmen uns sanft auf die neue Welt ein. Bereits auf Martinique musste ich einem dreisten Taxifahrer sehr deutlich erklären, dass wir nicht als „Cashcows“ angereist sind. 

Die Luft ist inzwischen echt tropisch und wir verbringen immer mehr Zeit in unseren klimatisierten Kabinen oder suchen uns die windigsten Schattenplätze auf Deck. Langeweile kommt allerdings nie auf, im Gegenteil, die Tage verfliegen viel zu schnell.

Natürlich sinniere ich zwischendurch auch über unsere Reise und die Zukunft nach. Dass ich nicht mehr 30 bin, habe ich nicht nur im spärlich eingerichteten Kraftraum physisch gespürt -  nein - ich spüre es jetzt auch psychisch angesichts der diversen, nahenden Herausforderungen. Ich verspüre momentan nicht mehr den gleichen Biss und das unbändige Vorwärtsstürmen wie damals mit der Dnepr. Zusätzlich kommt jetzt natürlich noch die Verantwortung für unsere drei Mädels, die auf uns lastet. All zu tief verfalle ich jedoch nicht ins Grübeln, ich bin mir bewusst, dass es vermutlich nur eine natürliche Hemmschwelle ist. Diese, so hoffe ich, wird sich von selbst lösen, sobald wir wieder mittendrin sind im „Kampfgetümmel“ mit all den Unwegsamkeiten, die sich uns durch korrupte Zöllner und  Polizeibeamte, durch Militärkontrollen, durch Abzocker und was sonst noch, in den Weg stellen werden.  

Nun ist es soweit, nachdem wir bereits beim nächtlichen Toilettengang die Lichter der kolumbianischen Küste sehen konnten, legen wir im Hafen von Cartagene an. Unsere innere Spannung steigt, vor allem, als die Heckrampe heruntergelassen wird und ich aufgefordert werde, mit unserem Fahrzeug aufs Hafengelände zu fahren. Voller Aufbruchstimmung, aber auch mit etwas Wehmut nehmen wir von der Horncliff und den netten Leuten an Bord Abschied.


Ein grosser Moment für uns, ich fahre unser "Casa Rodante" aus dem riesigen Bauch der Horncliff auf das Hafengelände von Cartagena!

Nach einiger Warterei aus zolltechnischen Gründen und einer kleinen Episode mit Uniformierten, sitzen wir zwei Stunden später in einem sehr einfachen Hotelzimmer, dessen Blütezeit vermutlich ins vorletzte Jahrhundert zurückreicht. Das weitere Umfeld jedoch ist absolut verzaubernd. Nicht umsonst nennt man Cartagena, dessen Altstadt zum Unesco Weltkulturerbe gehört, die Perle der Karibik!


Die Altstadt von Cartagena ist schlichtweg märchenhaft!

Einreisestempel in unsere Pässe haben wir noch keine erhalten, sondern nur temporäre Einreisescheine und auch unser Fahrzeug mussten wir auf einem überwachten Parkplatz im Hafengelände zurücklassen. Da wir an einem Samstagnachmittag angekommen sind, geht natürlich gleichentags gar nichts mehr und für den Sonntag haben wir uns auf einen grösseren Stadtbummel eingestellt. Dass allerdings am Montag gleich noch ein lokaler Feiertag folgt, stellt unsere Geduld schon etwas auf die Probe.

Am Dienstag fahren wir zuerst mit einem Mitarbeiter der Verschiffungsgesellschaft zur Immigration, um unsere Pässe zu stempeln. Am Nachmittag bringt uns ein Taxi zu einem uns empfohlenen Agenten, der spezialisiert ist auf die Ein- und Ausfuhrformalitäten privater Fahrzeuge. 

Die eine und andere Formalität können wir dank seiner kompetenten Unterstützung recht speditiv erledigen. Allerdings fehlt das „Bill of Lading“, ein für die Zollbehörden unerlässliches Papier, um unser Fahrzeug freizugeben. Für dieses Dokument muss von Hamburg noch irgendetwas angefordert werden und auch aus Bogota muss noch irgendeine Behörde ihren Teil dazu beitragen. Für den folgenden Tag wird uns dieses Dokument jedoch in Originalausführung versprochen. Angesichts eigener früherer Erfahrungen und auch aufgrund von Reiseberichten beschleichen uns jedoch leise Zweifel, dass wir, wie versprochen, am nächsten Tag wirklich bereits mobil unterwegs sein werden. 

Pünktlich um 08:30 Uhr stehen wir am Mittwochmorgen mitsamt unserem Gepäck wieder im Büro von Senior La Rota. Er meint, dass es für heute eng werden könnte, jedoch bei optimaler Koordination eine Chance besteht und so teilen wir uns auf. Zuerst geht es per Taxi zur Atlas Shipping, um das „Original Bill of Lading“ abzuholen, danach folgen diverse Formalitäten bei der Hafenbehörde, die ich mit Seniora La Rota erledige. Inzwischen nimmt Lucia mit Senior La Rota eine notwendige Banküberweisung an die Atlas Shipping vor, um das ebenfalls benötigte „Bill of Cargo“ auszulösen und anschliessend noch eine Haftpflichtversicherung für unser Fahrzeug abzuschliessen.   

Zwischendurch ist mal Siesta für zwei Stunden und dann geht es weiter mit der Inspektion unseres Fahrzeugs durch eine Zollbeamtin. Natürlich ist alles immer mit grösseren Distanzen verbunden und so werden wir kurzfristig zu einem nicht zu unterschätzenden Faktor im lokalen Taxigewerbe. Auf dem Hafengelände muss man sich jedes Mal ausweisen und die Taschen zur Kontrolle öffnen. Ohne Helm darf ich mich auf dem Gelände nicht bewegen und so vergehen nochmals eine durchlamentierte halbe Stunde, bis sich jemand erbarmt und mir seinen Helm ausleiht. Die schlussendliche Inspektion des Fahrzeugs ist dann aber eine Sache von nicht mal zehn Minuten. 

Die Informationen, die wir über unseren Fortschritt innerhalb der kolumbianischen Bürokratie erhalten, sind kontrovers. Zuerst heisst es, dass wir vermutlich doch eine weitere Nacht im Hotelzimmer in Kauf nehmen müssten und zurück im Büro sind dann wieder alle zuversichtlich. Wir gehen zum nahen DIAN, irgendeiner Zollbehörde, um die abschliessenden Unterschriften für die Auslösung unseres Fahrzeugs zu holen. Nun entsteht Hecktik! Die Beamtin, die im Hafen das Fahrzeug inspiziert hat und nun das unterschriebene Formular ihrem Chef zur Gegenzeichnung vorlegen sollte, ist nicht auffindbar und ihr Verbleib unbekannt. Es ist 17:10 Uhr und die Zeit drängt, denn um 18:00 Uhr macht der Hafen zu. Wir bleiben, wie die ganzen beiden Tage schon, recht gelassen. Solche Situationen lassen sich, das wissen wir aus Erfahrung, am besten mit Gleichmut ertragen. 

Um 17.30 Uhr haben wir alle Unterschriften und Dokumente beisammen. Am Strassenrand wird dann Seniora La Rota zusehends nervöser, denn es ist Rush Hour und freie Taxis sind rar. Es wird 17:45 Uhr, bis wir im Hafen sind und eine Mitarbeiterin von Seniora La Rota treffen, die bereits gewisse Vorkehrungen getroffen hat. 20 Minuten später – oh Wunder -  öffnet sich der Schlagbaum vor uns und ich zwänge mich mit unserem "Monster" in den zähen Abendverkehr von Cartagena.  

Unsere drei Mädels haben fast den ganzen Tag im klimatisierten Büro der La Rotas mit Zeichnen, Jassen und plaudern verbracht. Nun sind wir alle glücklich, diese grosse bürokratische Hürde hinter uns zu haben und verabschieden uns vom ganzen La Rota-Team. Ohne ihre sehr engagierte und ehrliche Unterstützung wären unsere Nerven vermutlich arg strapaziert worden.

Inzwischen ist es bereits sieben Uhr und wir fahren in die Dunkelheit hinaus. Notgedrungen brechen wir bereits bei unserer ersten Etappe einen unserer Vorsätze: in Kolumbien nie nachts zu fahren.

Fortsetzung unter "Nord-Westen"...