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Wir fahren auf einem sehr holprigen Weg durch eine heisse, trockene Hügellandschaft und sind einmal mehr erstaunt, wie sehr sich Grenzen abrupt auf das Erscheinungsbild eines Landes auswirken. Anstelle der mit Backsteinen gemauerten, verputzten und oft mit viel bunter Farbe versehenen Fassaden in Ecuador sind es auf einmal ganz einfache, unverputzte Adobehäuser ohne Schnörkel und Schnickschnack. Adobehäuser haben in Peru eine viele Jahrhunderte alte Tradition. Sie werden aus luftgetrockneten Lehmziegeln gebaut. Die einzelnen Ziegel oder Bausteine werden oft direkt vor Ort von Hand gefertigt. Dafür wird aus Erde oder Lehm, Strohschnipsel zur Armierung und Wasser barfuss eine Masse gestampft und anschliessend die einzelnen Bausteine in Holzformen gegossen. Je nach Region und Beschaffenheit des Rohmaterials wird der Farbton der Häuser dann rötlich, grau, brau oder auch ockerfarben.

Die kleinen Kinder sind in dieser abgelegenen Gegend nicht an westliche Reisende gewohnt und erst recht nicht an Fahrzeuge wie das unsere. So staunen wir, wie scheu sie auf unser Auftauchen und Zuwinken reagieren. Die meisten gucken uns aus grossen, staunenden Augen nach. Ihr Gesichtsausdruck spiegelt etwas zwischen Staunen und Verängstigung wieder. Die einen ducken sich gar hinters hohe Gras um nicht gesehen zu werden. Wir schmunzeln darob, realisieren aber erst später im durch den Tourismus bereits stark verdorbenen Süden so richtig, wie wohltuend zurückhaltend und unvoreingenommen sich die meisten Menschen im Norden im Umgang mit uns gezeigt haben. 

Über eine grauenvolle, einst asphaltierte Strasse, die nur noch fragmentweise als solche zu erkennen ist, erreichen wir anderntags Jaén, die erste grössere Stadt im Norden Perus. Die Gegend überrascht uns mit ihren krassen landschaftlichen Reizen. Während sich die Hügelzüge, die das sich weit öffnende Tal säumen, sehr trocken und braun präsentieren, ist in der Flussebene alles in üppiges Grün gehüllt. Vor allem an den vielen schön angelegten Reisterrassen mit ihrem typischen, intensiven Hellgrün können wir uns kaum satt sehen. Jaén selber ist zwar eine sehr geschäftige Stadt, wirkt auf uns jedoch recht lieblos und chaotisch. Was uns auf den ersten Metern auffällt, sind die extrem vielen Motocarros oder Mototaxis, die sicher an die 80% des Gesamtverkehrs ausmachen und denen wir im restlichen Peru noch zu Tausenden begegnen werden (siehe Bilder). 

In der Region von Chachapoyas, der Hauptstadt des „Departementos Amazonas“ unternehmen wir ein paar Abstecher zu Sehenswürdigkeiten. Die erste ist der Wasserfall Gocta, der über zwei Stufen ganze 771 Meter in die Tiefe rauscht und zu dem wir mit einer zweistündigen Wanderung durch üppige Vegetation gelangen. Da wir den Parkeingang jedoch erst am späteren Nachmittag erreichen und somit zu knapp sind, um diese Tour noch gleichentags machen zu können, verschieben wir diese auf morgen. Wir dürfen uns in diesem 100-Seelen Dorf auf dem Fussballplatz stationieren und haben viel Spass. Wir spielen endlos lange und bis fast zum Umfallen – immerhin befinden wir uns auf rund 3'000 Höhenmetern - mit den einheimischen Jungs Fussball. Am Abend ist Geburtstagsparty angesagt - Alexandra wird 14! Die kleine Feier fällt bescheidener aus, als wir sie geplant haben, allerdings ist es während dem Reisen schwierig, genau abzuschätzen, in welcher Gegend man sich an einem bestimmten Tag gerade befindet. 

Etwa 60 Kilometer weiter in einem anderen abgelegenen Dorf tasten wir uns mit Gummistiefeln und Taschenlampen bewaffnet durch den glitschigen Morast einer ca. 500 Meter langen Höhle. Unser Führer und gleichzeitig auch Entdecker weiss sehr viel Interessantes über die Höhle und ihre früheren Benutzer zu erzählen. Neben vielen wunderschönen Stalagmiten und Stalaktiten zeigt er uns auch Jahrhunderte alte Grabnischen mit vielen Knochen und Totenschädeln. Auch eine kleine Kolonie Fledermäuse hängt kopfüber von der Höhlendecke und macht sich durch einen ekligen Gestank bemerkbar. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in einen der vielen schwarzen Kothaufen am Boten treten. 

Über eine schmale, teils abenteuerliche Bergstrasse erreichen wir Kuelap, eine grossartige, befestigte Siedlung der Chachapoyas, einem armen präinkaischen Volk. Der Komplex umfasst ca. 7 Hektaren und schmiegt sich mit seinen zwischen 5-20 Meter hohen Mauern abenteuerlich entlang eines Felskammes. Was die Menschen damals um 900 bis 1’100 ohne Kenntnisse der Metallurgie und somit mit einfachsten Steinwerkzeugen erbaut haben, ist absolut beeindruckend. Die ganze Region ist archäologisch noch wenig erforscht und birgt noch viele unentdeckte Stätten alter Kulturen. 

Durch wilde Landschaften, wo sich hohe Pässe mit tiefen Tälern und tundraartige Hochebenen mit dürren, Kaktus bewachsenen Hügelzügen abwechseln, gelangen wir nach über 300 Kilometern auf schmalen einspurigen Naturstrassen nach Cajamarca. Lucia hat das Pech, dass sie meistens, wenn der Weg an den steilsten Abgründen vorbeiführt, auf der Talseite sitzt. Aus meiner Perspektive tendiere ich naturgemäss jeweils zugunsten von genügend Felsabstand, etwas näher an den Abgrund zu fahren, was ziemlich Stress gibt. Ich aber bin überzeugt, dass wenn es uns bei solchen Passagen nicht wegen einer Überdosis Adrenalin aus den Socken haut, uns auch der berühmt-berüchtigte „Camino de la Muerte“ (Todesstrasse) in Bolivien nicht schocken kann. Bisher habe ich für diesen 35 Kilometer langen Adrenalinkick noch kein grünes Licht meiner vier Frauen erhalten. Ich arbeite aber hart daran. 

Cajamarca, die Hauptstadt des gleichnamigen Departements fasziniert uns alle, im Speziellen aber mich selbst, enorm. Die Stadt wirkt auf sehr angenehme Art und Weise authentisch. Ihre vielen mit pulsierender Geschäftigkeit durchfluteten Strassen und Gassen sind von schönen Kolonialhäusern gesäumt, die zwar sehr gut erhalten aber nicht speziell touristisch „gepimpt“ sind. Alles was es zum einfachen aber nicht ärmlichen Leben braucht – sei es im Food- oder Non Food Bereich - findet man in grosser Anzahl und in ansprechender Aufmachung. Auch das was an Souvenirshops vorhanden ist, gibt sich vornehm zurückhaltend und wirkt alles andere als kitschig. Auf dem Markt findet man eine unglaubliche Fülle an Gemüse, Getreide und Früchten. Das Fleisch wird zwar offen und nicht nach unseren hygienischen Massstäben feilgeboten, wirkt aber keinesfalls unappetitlich oder gar abstossend, wie wir das andernorts schon erlebt haben, wo es uns des penetranten Gestanks wegen fast hochgekommen ist. So aufgeräumt und adrett sich die Stadt präsentiert, so wirken auch die Menschen auf uns. Mit ihren unaufdringlichen Trachten und den schnörkellosen aber „charakterstarken“ Sombreros wirken die Leute zwar sehr traditionsbewusst, jedoch nicht touristisch aufgesetzt. 

Die Strasse von Cajamarca an die Küste ist leider in einem katastrophalen Zustand und fordert uns einiges an Nerven ab. Streckenweise ist sie jedoch bereits „under construction“ für eine Gesamterneuerung. So spannend und wild es abseits der Hauptrouten auch zu und hergehen mag, so geniessen wir jeweils nach einer gewissen Zeit doch auch wieder die Ruhe und Entspanntheit auf Asphaltstrassen. Deshalb sind wir ganz froh, entlang der Küste wieder mal auf der perfekten Panamericana unterwegs zu sein. 

An der Küste warten einige hervorragende historische Stätten auf unseren Besuch. Etwas nördlich von Chiclayo besuchen wir in Lambayeque das Museum „Tumbes Reales de Sipán“, das auf internationalem Niveau die grandiosen Funde aus der Grabstätte des „Herrn von Sipán“ zeigt. Auch die Grabstätte von Sipán selber mit ihren zeremoniellen Anlagen, die ursprünglich aus zig Millionen Adobeziegeln erbaut worden ist, bestaunen wir. 

Der Baustoff entlang der Küste ist mangels Alternativen Jahrhunderte lang nur Adobe gewesen und so sind auch die weiteren historischen Sehenswürdigkeiten aus diesem leider sehr vergänglichen Material erbaut worden. Auch wenn jährlich nur wenig Regen fällt, so wirkt sich dieser im Zeitraffer über die Jahrhunderte doch so aus als würde eine Eisskulptur an der Sonne schmelzen. So wirken viele Bauwerke der mit schier unglaublichen Dimensionen aufwartenden Adobestadt Chan Chan bei Trujillo wie an der Sonne schmelzendes Softeis. Chan Chan, erbaut um 1’300 durch die Chimú ist damals mit etwa 10'000 Bauten Südamerikas grösste Stadt und weltweit die grösste Adobestadt gewesen. Um die 60'000 Personen sollen darin gelebt haben. Teilweise erhalten geblieben sind vor allem die prächtigeren Bauten wie Paläste, die nach sanfter Renovation immer noch einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. 

Entlang der öden, für uns alten Saharafans aber doch sehr interessanten Wüste, die sich fast entlang der gesamten peruanischen Küste hinzieht und oft Nebel verhangen ist, fahren wir weiter nach Süden. Kurz vor Chimbote biegen wir ins Landesinnere Richtung Cordilliera Blanca ab. Wir wissen zwar, dass unsere Strassenkarte nicht sehr zuverlässig ist, hoffen aber trotzdem, dass die Angabe „befestigte Hauptstrasse“ einigermassen stimmt. Immer noch stecken die nervtötenden Rüttelpisten der vergangenen Wochen in unseren Knochen. Nach 70 Kilometern ist dann aber Schluss mit Asphalt und es folgt eine sehr staubige, grobe Schotterstrasse. Doch die faszinierende, archaische Landschaft aus Sand, Geröll und blankem Fels entschädigt für vieles. Ich bin einmal mehr begeistert von der Wildheit dieses Landes und geniesse es, hinter dem Steuerrad wieder sehr aktiv gefordert zu sein (siehe Bilder „kleine Road Story“). Je enger und wilder das Tal und die Strasse aber werden, je mehr frohlocke ich und umso deutlicher entpuppt sich das zuerst als „Magenknurren“ vermutete Geräusch von rechts als unmutiges Murren von Lucia. Erst als sich das enge Tal zur dramatischen Schlucht, dem Cañón del Pato wandelt und der erste, roh aus dem Felsen gehauene Tunnel auftaucht, schlucke auch ich kurz leer. Lucia steigt aus, um aus Distanz abzuschätzen, ob die Höhe reicht. Das tut sie zu unserer Beruhigung, wenn wir uns schön in der Mitte halten. Weitere Tunnels, die einen nur um die 30 andere mehrere hundert Meter lang, folgen und alle fordern von uns vollste Konzentration. Wir sind uns bewusst, dass wir sehr hoch und auch bis oben hin sehr breit sind. Fast alle einheimischen Fahrzeuge sind nach oben verjüngt. Ich witzle noch rum, dass vielleicht der letzte Tunnel uns noch zum Umdrehen zwingen könnte, was uns des grossen Umwegs echt „ankacken“ würde - und schon folgt der nächste Tunnel. Dieser wird tatsächlich nach rund 150 Metern schleichend niedriger, bis es verdammt eng für uns wird. Leider verpasse ich es rechtzeitig, eine unserer Kleinen aufs Dach zu hieven, um mich zu lotsen, wie wir das auch schon praktiziert haben. Ein leichtes Rütteln gepaart mit einem hässlichen Knirschen signalisiert uns „Feindberührung“ und somit Endstation. Wir haben Glück im Unglück, der Schaden hätte auch massiver ausfallen können, so aber sollte die aufgerissene linke Vorderecke mit vernünftigem Aufwand reparierbar sein. Nur ganz kurz überlege ich noch, ob wir es mit Luftablassen der Pneus schaffen könnten. Diese Übung haben wir aber bereits einmal bei einem Torbogen eines Nationalparks erfolglos durchgezogen. Die 4-5 cm, die man mit einem Restdruck von ca. 3-4 bar rausholt, reichen bei Weitem nicht. Ich hole nun das mit dem „Dachlotsen“ nach und hieve Leonie aufs Kabinendach, damit sie mich, hinter die Reling geduckt, durchs offene Dachfenster rückwärts aus dem Tunnel weisen kann. Während ich im Schneckentempo die schroffen Tunnelwände entlang schleiche, rennt Lucia zurück, um eventuell nachfolgende Fahrzeuge zu stoppen. Glücklicherweise befindet sich vor dem Tunnel eine kleine Ausweichstelle zum Kreuzen. Diese reicht gerade, um mit ein paar Mal vor und zurück unser Fahrzeug zu wenden. Nochmals Glück haben wir, dass uns bloss 10 Kilometer zurück in Huallanca ein Minenarbeiter einen schmalen Weg über den Berg zeigt, dank dem wir nach ca. 40 Kilometern Umweg bereits wieder auf unsere Route gelangen. 

Unser Ziel, die Cordillera Blanca gehört mit ihren 22 Sechstausendern zu den höchsten Gebirgsketten der Welt. In Huaraz, dem Drehpunkt fast aller touristischen Aktivitäten der Region hält es uns nicht lange. Die Stadt ist 1970 durch ein Erdbeben fast vollständig zerstört worden und wirkt heute noch wie eine riesengrosse Baustelle. Viele Gebäude werden seit Jahren in einem Rohbau ähnlichen Zustand bewohnt. Warum in eine propere Fassade und unnötigen Schnickschnack investieren, wenn jederzeit ein weiteres Erdbeben alles wieder in Schutt und Asche legen kann? Die schöne Gebirgskulisse, die man von Huaraz aus sieht, wollen wir aus der Nähe erleben. So machen wir uns auf eine Tour rund um die ganze Gebirgskette (siehe Bilder). Wir erleben einmal mehr wunderschöne, facettenreiche Landschaften und abgelegene Dörfer mit netten Menschen. Als sich der Kreis unserer Rundfahrt schliesst, fahren wir zurück an die Küste, die wir von 4'000 Höhenmeter aus innerhalb von zwei Stunden erreichen.

Der vernebelten Küste entlang gelangen wir nach rund 180 Kilometer nach Lima. Wir zwängen und würgen uns zwei Stunden lang durch den Feierabendverkehr dieser 10-Millionenstadt. Trotz recht gutem Kartenmaterial schaffen wir es nicht auf Anhieb, unser Ziel, das Hitch-Hikkers Hostal zu finden. Zu schlecht sind die Strassen und Abzweigungen signalisiert und zudem ist es schon lange Dunkel. Wir fragen uns rund ein Dutzend Mal durch, bis wir es endlich geschafft haben. Lima ist wahrlich ein Moloch und die schönen Seiten muss man zuerst einmal entdecken. Diese sind aber durchaus vorhanden, auch wenn der „Garúa“, eine Mischung aus Küstennebel oder Sprühregen zusammen mit Abgasen, der neun Monate im Jahr über Lima liegt, die Stimmung etwas zu trüben vermag (siehe Bilder). Trotz den Annehmlichkeiten, die Grossstädte mit ihren Infrastrukturen bieten und die wir zu schätzen wissen, hält es uns dort meist nicht lange. Der Rummel und die Massen in den Städten ist auf die Dauer nicht unser Ding. 

Nur zwei Stunden Südlich von Lima liegt das Reserva National de Paracas, ein Park, der neben ein paar Inseln und der Küste auch einen besonders schönen Teil der angrenzenden Wüste schützt. An einer einsamen, malerischen Bucht, an deren Strand unablässig die Wogen branden, verbringen wir zwei windige aber ansonsten sehr ruhige Nächte und feiern auch Lucias Geburtstag. Am ersten Tag sehen wir uns mehrere Sehenswürdigkeiten entlang der wilden Küste an und machen abschliessend in der Abendsonne noch ein längeres „Foto-Shooting“. Am zweiten Tag machen wir uns auf, um über eine inoffizielle Piste weiter im Süden den Park wieder zu verlassen. Wir geniessen echtes Wüstenfeeling weitab von Verkehr und Zivilisation und verirren uns auch wie in einer echt grossen Wüste. Das heisst, verirren tun wir uns eigentlich nicht, aber wir erreichen auch nicht das angepeilte Ziel. Statt den Park in südöstliche Richtung zu verlassen, gelangen wir auf einmal wieder an die Küste und auf die Piste Richtung Norden, von der wir hergekommen sind. Vielleicht sollte ich doch mal die Bedienungsanleitung unseres GPS studieren und dieses zu Hilfe nehmen oder zumindest in der Mittagszeit, wenn die Sonne kein verlässlicher Orientierungspartner ist, auf den Kompass gucken. Na ja, passiert ist weiter nichts und Spass hat es allemal gemacht! 

Schon 100 Kilometer weiter südlich wartet am Abend bereits ein nächstes Highlight. Huacachina ist eine kleine Oase, nur 5 Kilometer ausserhalb Ica. Es ist berühmt für seine riesigen Sanddünen, die sich über rund 40 Kilometer bis an die Küste erstrecken. Bisher haben wir die Küstenwüste in Peru immer als Mischung aus feinstem Staub, grobkörnigem Sand und Geröll erlebt, nie aber aus reinem, gleichkörnigem Sand, wie man ihn aus der Sahara oder von herrlichen Sandstränden her kennt. Hier aber stapfen wir barfuss durch herrlichen „Bilderbuch-Sand“ und erklimmen noch vor Sonnenuntergang eine dieser gegen 200 Meter hohen Dünen. Oben geniessen wir eine wunderschöne Aussicht auf das endlose Dünenmeer. Am andern Morgen geht es dann ein paar Stufen wilder zu und her. Mit einem Spezialfahrzeug mit Überrollkäfig unternehmen wir einen einstündigen wilden Dünenritt während dem wir auch die Gelegenheit bekommen, uns im „Sandboarden“ zu üben (siehe Bilder).  

Bereits fünf Stunden später erreichen wir Nasca, wo wir im wahrsten Sinne des Wortes abheben. Eine gute halbe Stunde kreisen wir in einer sechssitzigen Cessna in steilen Kurven einmal rechtsrum und dann linksrum über die berühmten Linien von Nasca. So wird garantiert, dass immer alle Passagiere in der Maschine auf ihrer jeweiligen Seite die in den steinigen, trockenen Boden gescharrten Figuren und Linien optimal bestaunen können. Lucia und Alexandra schlägt die wilde Kurvenfliegerei echt auf den Magen und sie nehmen präventiv schon mal den Plastikbeutel zur Hand. 

Entlang des bisher wildesten und abwechslungsreichsten Stück Küstenwüste fahren wir nach Arequipa. Die Strecke wechselt ab von lieblich schönem Sandstrand über skurrile rote Felsformationen bis zu unbarmherziger Steilküste mit schroffen, schwarzen Klippen. Dass dabei kaum ein Sonnenstrahl durch die teils dichten Nebelschwaden dringt, versteht sich von selbst. Das ist eben Perus Küstenwüste! Für mich ist die Fahrt aber dermassen abwechslungsreich und spannend, dass ich mich fast wie im Kino fühle. 

Arequipa liegt inmitten eines faszinierenden Szenarios mit aktiven Vulkanen, schneebedeckten Bergen und mondähnlichen Landschaften. Der Sage nach soll der Mond vergessen haben, Arequipa mitzunehmen, als er sich von der Erde getrennt hat. Das perfekt herausgeputzte Stadtzentrum wird geprägt von wunderschönen Kolonialbauten, erbaut aus Sillar, einem hellen Vulkangestein und vielen Strassen voller interessanter Shops und Souvenirläden. Fasziniert hat uns auch das Monasterio Santa Catalina, das fast zwei Häuserblocks in Anspruch nimmt. Auf dem Hotelcamping treffen wir weitere Reisende mit eigenen Fahrzeugen und verabreden uns mit den einen in Cusco. So wunderschön Arequipa auch ist, auch diese Grossstadt vermag uns nicht länger als zwei Tage zu halten.  

Durch endlose Hochebenen mit golden in der Sonne leuchtendem Steppengras und kleinen Gruppen von Vikunjas steigt die Landschaft stetig an, bis wir schliesslich auf einem 4'800 Meter hohen Pass angelangen. Auf der anderen Seite windet sich die Strasse in langen Serpentinen steil nach Chivay, einer kleinen Provinzhauptstadt, hinunter. Chivay liegt am Eingang zum Cañón del Colca, mit fast 3'200 Metern einem der weltweit tiefsten Canyons. Die Hauptattraktion des Canyons liegt jedoch nicht in seiner Topographie, sondern in den an seinen Abhängen nistenden Andenkondoren (Vultur gryphus). Diese prächtigen Vögel, die bis zu 3,2 Meter Flügelspannweite erreichen und gegen 70 Jahre alt werden können, gehören zur Familie der Geier und sind somit Aasfresser. Leider sind sie trotz grosser Anstrengungen nach wie vor vom Aussterben bedroht. Einige Exemplare dieser wunderschönen Spezies aus relativer Nähe beobachten zu können, wird hier schon fast garantiert. Wir fahren trotz einsetzender Dämmerung noch ins Tal hinein und wollen unbedingt bis zum Aussichtspunkt Cruz del Condor gelangen. Dort möchten wir übernachten, um morgen früh bereits vor Ort zu sein, wenn die Kondore beginnen, in der Morgenthermik im Gleitflug ihre Runden zu ziehen. Als wir den grossen Parkplatz erreichen, ist es bereits zappenduster und wir können von der Umgebung nicht mehr viel sehen. Es ist weit und breit kein Mensch oder Fahrzeug zu erblicken. Zumindest einen Parkwächter hätten wir eigentlich erwartet. Das Wissen darum, dass es hier schon zu Überfällen auf Touristen gekommen ist, lässt bei uns das erste Mal etwas Unbehagen aufkommen. 

Um sieben Uhr stehen wir beim Aussichtspunkt zusammen mit den ersten paar Touristen und beobachten mit Ferngläsern die Abhänge des Canyons. Es dauert tatsächlich nicht lange, bis der erste dieser Riesenvögel in einiger Tiefe die Felswände entlang gleitet. Bis Mitte des Vormittags zählen wir an die acht Kondore, die bis ca. 50 Meter an uns heran fliegen. Inzwischen, ich traue meinen Augen kaum, als ich mal das Fernglas weglege und um mich blicke, sind Ströme von Touristen aufmarschiert. Die ultimative Sichtung erleben wir erst am Abend, als wir auf dem Rückweg nochmals beim Cruz del Condor Halt machen. Nun sind wir bis auf ein paar wenige Personen alleine auf dem grossen Gelände unterwegs. Anscheinend beginnen die Kondore am Morgen tief im Tal zu Kreisen und steigen im Verlauf des Tages bis auf Flughöhen von 7000 Metern, um abends wieder in die Tiefe des Canyons zu ihren Horsten zurückzukehren. Und nun segeln drei Stück keine 10 Meter über unsere Köpfe weg und wir können sogar das Rauschen ihrer Federn im Wind hören – ein unvergesslicher Moment!  

Unsere nächste Station ist der Titicaca-See an der Grenze zu Bolivien. Er ist Südamerikas grösster See und soll mit seinen 3’810 M. ü. M. der weltweit höchstliegende schiffbare See sein. Wir unternehmen ein paar Ausflüge entlang des Sees und zu den einzigartigen schwimmenden Inseln der Uros (siehe Bilder), die leider in den letzten Jahren sehr viel an Authentizität verloren haben und heute auf fast abstossende Weise kommerzialisiert werden. Dagegen ist die Halbinsel Capachica wohltuend untouristisch geblieben und das Leben nimmt hier seinen ursprünglichen und unverfälschten Lauf wie schon seit Jahrhunderten. 

Nun steuern wir eines der ganz grossen Ziele unserer Peru-Tour an – Cusco. Es war einst die wichtigste Stadt des Inkareichs und bietet viele sehenswerte Inkastätten. Damit gilt Cusco als unumstrittene archäologische Haupstadt des Kontinents. Sie ist auch die älteste durchgehend besiedelte Stadt Amerikas. Bei all diesen Attributen ist es nicht verwunderlich, dass hier das absolute Epizentrum des peruanischen Tourismus liegt. In der Stadt beklagt man sich allerdings, dass sich der Touristenstrom, der wegen der Finanzkrise und der Schweinegrippe massiv eingebrochen ist, noch bei weitem nicht erholt hat. Und in der Tat, in den unzähligen wunderschönen Gassen und Strassen der Stadt müssten eigentlich angesichts des immensen Angebots in hunderten von Souvenirshops und Restaurants massiv mehr „Westler“ flanieren. In Cusco treffen wir das erste Mal auf einen richtigen Campingplatz, wo wir auf einige Gleichgesinnte stossen. Wir geniessen es, mit Schweizern, Deutschen und Franzosen zu Fachsimpeln und Erfahrungen auszutauschen und abends auch mal endlos lange am wärmenden Lagerfeuer zu sitzen und stumm in die Glut zu starren. Der absolute „Sonnenschein“ des Platzes aber ist Elliot, der einjährige Sohn von Jessica und Nicolas. Er ist in Brasilien während ihrer Reise auf die Welt gekommen und somit ein geborener Kosmopolit. Unsere Mädchen reissen sich um seine Gunst. Ansonsten widmen sie sich Schularbeiten, spielen mit andern Kindern oder verweilen tagelang im angrenzenden Wäldchen. Bei mir aber ruft wieder einmal die Pflicht! Es stehen einige Wartungsarbeiten und auch die Reparatur des Schadens aus der Tunnelhavarie an. Alles was man auf dieser Höhe anpackt, wir befinden uns auf 3'600 Meter über Meer, dauert etwas länger als gewohnt, denn die Puste ist verdammt schnell draussen. Wir haben ursprünglich 5-6 Tage bleiben wollen, verweilen jedoch, wie die Meisten andern auch, viel länger. Nach 15 Tagen müssen wir uns – wir sind fast ein wenig lethargisch geworden – richtig losreissen. Eines der grössten Highlights unserer Reise ist lange überfällig – der Machu Picchu! 

Schon die Strasse Richtung Valle Sagrado, dem heiligen Tal der Inkas, ist gesäumt von historischen Stätten und im Tal selber liegen stolze Inkafestungen wie Pisac und Ollantaytambo. Im gleichnamigen Ort Ollantaytambo erkundigen wir uns nach den Zugverbindungen nach Aguas Calientes, dem Ausgangsort zum Machu Picchu, der nur per Bahn oder zu Fuss erreichbar ist. Die Verbindungen sind für uns zeitlich ungünstig und auch weitgehend ausgebucht. So entscheiden wir uns definitiv für die Alternative, den langen Umweg auf der Strasse über die Berge nach Santa Teresa. Nur 15 Kilometer vor dem Ziel fahren wir in Santa Maria unseren ersten Plattfuss ein. Zum Glück befindet sich nur 50 Meter zurück eine Llanteria (Pneureparaturwerkstatt). So muss ich nur das Rad demontieren und werde verschont, auch noch das Reserverad vom Dach runter zu holen. 

In Santa Teresa lassen wir unser Fahrzeug zum ersten Mal alleine zurück. Mit einem Taxi legen wir die restlichen ca. 20 Kilometer bis zur Bahnlinie, die bei „Hydro Electrica“, einem Wasserkraftwerk endet, zurück. Durch üppig grünen Nebelwald und ein immer enger werdendes Tal zieht eine Diesellok der Perurail die paar Waggons in einer gemächlich schaukelnden Fahrt in nur 40 Minuten nach Aguas Calientes. Dieses echt schräge Kaff dient einzig und alleine als Übernachtungsort und Verpflegungsposten für all diejenigen, die nicht als Tagesausflügler direkt von Cusco herkommen. Am nächsten Morgen nach einer mittelmässigen Nacht im Hotelzimmer marschieren wir pünktlich um 05:30 Uhr für den ersten Bus bei der Station ein. Wir wissen ja wohl, dass täglich im Schnitt 1’000 Besucher auf den Berg gekarrt werden. Die Hundertschaften aber, die wir nun bereits frühmorgens in einer langen Warteschlange antreffen, erschlagen uns beinahe! Uns schwant Schlimmes, was die Wartezeit anbelangt. Wir werden aber nur Minuten später beruhigt, als ein ganzer Konvoi von Bussen einfährt und die lange Menschenschlange anfängt zu schlucken.  

Dann stehen wir endlich vor der sagenumwobenen Anlage, die frühmorgens noch in mystische Nebel gehüllt ist und sind fasziniert. Die vielen Leute, die mich im Vorfeld noch gestresst haben, verlieren sich in der riesigen Anlage und stören nicht mehr. Es ist einfach gewaltig, was die Inkas damals in Einklang mit der Natur und der Landschaft in die steilsten Felshänge gebaut haben und all die Jahrhunderte Wind und Wetter standgehalten haben. Ein Glück, ist dieser Ort damals unentdeckt geblieben von den durch blanke Gier getriebenen spanischen Eroberern. Lange verweilen wir in der verwinkelten Anlage und erklimmen sogar den berühmten Berg hinter der Anlage, den Wayna Picchu. Irgendwann aber haben meine Mädels genug und drängen auf den Heimweg. Wir verzichten auf den teuren Bus und steigen zu Fuss runter ins Tal. Anschliessend wandern wir zwei Stunden lang den Schienen entlang bis zur „Hydro Electrica“, von wo uns ein Taxi zurück zu unserem Fahrzeug in Santa Teresa bringt. Die Konzession für die Bahn soll ein paar wenigen Multis aus Chile und den USA gehören, die durch Streichung von Zugverbindungen die günstigeren Alternativen nach Aguas Calientes zu verhindern suchen, um dadurch die überteuerten Tickets aus Cusco besser an den Touristen bringen zu können. 

Die ganze Nacht durch regnet und gewittert es intensiv und als wir am Morgen zurück Richtung Cusco aufbrechen, ist die Strasse ziemlich aufgeweicht und matschig. In einer Biegung kommt plötzlich ein PW mit überhöhter Geschwindigkeit und die Kurve schneidend entgegen. Ich trete sofort voll auf die Bremse, die jedoch des schmierigen Untergrunds wegen fast keine Verzögerung bringt. So schlittere ich voll seitlich in den PW rein, der noch versucht auszuweichen. Die ersten Worte des Fahrers sind: „Gracias Señor“! Ja bravo, ich mach ihm zuerst mal klar, dass er zu schnell und auf meiner Seite gefahren ist. Zum Glück sind alle unverletzt, auch sein kleiner Junge, der unangeschnallt im Gepäckraum des Kombis sitzt. Jedoch ist die ganze linke Seite seines Wagens eingedrückt und auch meine linke vordere Ecke hat an der Stossstange und am Kotflügel etwas abgekriegt. Als erstes rechnet mir der an und für sich sympathische Peruaner vor, wie hoch sein Schaden ist, worauf ich entgegenhalte, dass mein Schaden zwar optisch geringer aussieht, jedoch der LKW-Technik wegen genauso teuer zu stehen kommt. Ich schlage vor, die Polizei beizuziehen, was er Arme fuchtelnd ablehnt und meint, dass das gar nichts bringe. Seine Begründungen kann ich nachvollziehen, am Schluss kriegen wir nur beide eine Busse und zur Schuldklärung tragen die gar nichts bei. Er hält mir vor, dass ich vor der Kurve nicht wie es üblich ist, gehupt habe und fordert von mir einen Betrag von 300 US$, was gemäss seiner Kalkulation der Hälfte seines Schadens ausmacht. Ich halte entgegen, dass er mindestens zur Hälfte an der Schuld mit trägt und auch ich meine Forderungen habe. Wir wägen ab, was es bringt, die Versicherungen einzuschalten. Mir aber ist der ganze administrative Aufwand dafür zuwider. Nun gut, mit Lucia bin ich soweit einig, dass ein langwieriger Hickhack nichts bringt und wir zu einem Schluss kommen müssen. Ja - und wie das so ist in diesen Ländern, wer bezahlt schlussendlich die Zeche? Natürlich derjenige, der den Zaster leichter verdient. Angesichts der Situation und des für unsere Verhältnisse lapidaren Betrags, den wir zudem noch auf  250 US$ runterhandeln, blättere ich die Scheine hin und lasse mir das ganze schriftlich quittieren. Wir sind das erste Mal überhaupt auf nassen Naturstrassen unterwegs und die Erkenntnis, dass unsere 13 Tonnen auf solcher „Seife“ auch bei bloss 25 km/h einiges an Bremsweg benötigen, hätte sogar noch teurer oder fataler ausfallen können. 

Unterwegs stelle ich zufällig bei einer kurzen Rast anhand eines feinen Zischgeräusches fest, dass der geflickte Pneu leicht Luft verliert. Wir wollen am Abend unbedingt wieder in Cusco auf dem „Camping Quinta Lala“ sein und so machen wir uns zügig und ohne weitere Pause auf den Weg. Auf halber Strecke pumpe ich kurz nach, damit es wirklich bis ans Ziel reicht. Auf dem Campingplatz hebe ich noch in der Dunkelheit das Fahrzeug mit dem Wagenheber an, um den Pneu zu entlasten. Am nächsten Morgen bekomme ich Unterstützung von André, einem Franzosen, der bereits seit sechs! Jahren mit seiner Frau und den beiden Kindern in einem MAN alle Kontinente bereist. Er erteilt mir gleich einen kleinen Kurs im Flicken eines LKW-Pneus und ich schwöre mir, dies in Zukunft immer selber zu tun. Die Reparatur im Pneushop in Santa Maria für satte 100 Soles (40 Franken) ist total stümperhaft ausgeführt worden. Lucia und ich durchstöbern anderntags im Handwerkerviertel von Cusco stundenlang Shop um Shop bis wir alle nötigen Dinge zusammengekramt haben, um solche Arbeiten künftig selber professionell ausführen zu können. Am Abend gehe ich mit Nicolas, André und seiner Tochter Audrey in die Stadt, um etwas peruanisches Nachtleben zu geniessen. Wir haben grossen Spass und tanzen nach wilden Rythmen und trinken - wie könnte es anders sein - viel zu viel. Der sechste Mojito - oder ist es bereits der Siebte, ist definitiv einer zuviel. Nicolas und ich sind heilfroh, dass André und Audrey keinen Alkohol trinken und uns Schnapsleichen heil nach Hause bringen.

Bisher haben wir nur bei kurzen Ausflügen leicht am Amazonasbecken „geschnuppert“, nun aber wollen wir diese Region in ihrer ganzen Intensität erleben. Das erhoffen wir uns zumindest in der Gegend um Puerto Maldonado und weiter nördlich im angrenzenden Brasilien und Bolivien. Entgegen anders lautenden Aussagen, die diese Strecke als zu mühsam erachten, machen wir uns auf den Weg. Auf einer Strecke von ca. 60 Kilometern wird der alte Holperweg in den unwegsamen Bergen tatsächlich ausgebaut und wir müssen über viele provisorische Rüttelpisten, durch Bäche und Flüsse hoppeln und einmal runde drei Stunden warten, weil die Strecke wegen Arbeiten gesperrt ist. Diese Strecke wird zukünftig Teil der neuen Interoceanica, einer asphaltierten, zweispurigen Strasse, die den Kontinent vom Atlantik her durch Brasilien bis zum Pazifik in Peru verbinden soll. Nach 7 Stunden inklusive der Wartezeit gelangen wir wieder auf Asphalt und sind nach nur eineinhalb Tagen bereits in Puerto Maldonado. Das entspricht einer Strecke von knapp 500 Kilometern, für die man noch vor wenigen Jahren bis zu fünf anstrengende Reisetage benötigt hat. Nach mehreren Wochen bei trockenem, kühlem Klima auf Höhen über 3'500 Metern werden wir hier auf 250 M.ü.M., als wir aus der klimatisierten Fahrerkabine steigen, fast erschlagen! Es ist abends um halbsieben Uhr und stockdunkel aber die Temperatur liegt immer noch bei über 30° C und die Luftfeuchtigkeit um die 90%. Innerhalb einer halben Stunde klebt uns alles am Körper. Wir entschliessen uns spontan, die geplante Dschungeltour hier bleiben zu lassen und zu vertagen bis wir in Bolivien sind. 

Auch die Weiterfahrt Richtung Norden nach Brasilien, wo wir bloss 110 Kilometer als Transit nach Bolivien zurücklegen, ist bis auf wenige Kilometer asphaltiert (siehe auch Bilder mit Kommentar). Dass wir des Klimas wegen Peru schlussendlich fast ein wenig fluchtartig verlassen, wird dem Land in keiner Weise gerecht. Wir haben Land und Leute in vielen wunderschönen Facetten kennen gelernt. Die Landschaften haben uns in immer neuen Farben und Formen total fasziniert und die Menschen, vor allem die Frauen in ihren bunten, teils gar schillernden Trachten und fantasievollen Hüten haben uns echt entzückt. Die alten Kulturen mit ihren Hinterlassenschaften haben uns teilweise richtig in ihren Bann gezogen. Nicht mal die vielen Polizeikontrollen vermögen dieses Bild zu trüben, sind wir doch durchwegs korrekt behandelt worden. Sogar von den viel zitierten Trickbetrügern oder andern kriminellen Taten sind wir verschont geblieben. Dass die Strassen Perus nicht die besten sind, haben wir zum Vornherein gewusst und diese sind ja auch Teil des Abenteuers. Wo Licht ist, ist aber auch Schatten und ich würde unvollständig berichten, würde ich nicht auch die unschönen Dinge nennen. Missfallen hat uns das aufsässige Geschäftsgebaren, denen man als „Westler“ im touristischen Süden ausgesetzt ist. Widerlich ist die Unart vieler Männer, überall und jederzeit an Hauswände zu pinkeln, sodass es vielerorts penetrant nach Urin stinkt. Und ein echtes Problem scheint die Abfallentsorgung zu sein, denn Unrat findet sich fast überall. Nichtsdestotrotz, in unserem eigenen Ranking liegt Peru momentan an erster Stelle und wird schwer zu Toppen sein. Die Ausreise aus Peru ist ein Akt von 10 Minuten und die Einreise in Brasilien nur wegen der Mittagspause mit etwas Wartezeit verbunden. Die Landschaft aber zieht sich in Brasilien etwa gleich weiter wie in Peru. Die Strasse ist gesäumt von Pampas, das was man im Volksmund weitläufig unter dem versteht, was nach der Rodung des Urwalds übrig geblieben ist, nämlich Buschland und Weideland für Rinder. In diesen Breitengraden scheinen Amazonasfeeling und Urwaldromantik weitgehend ausgerottet zu sein – unsere diesbezüglichen Hoffnungen ruhen nun auf Bolivien!

Ende Reisebericht Peru

Bolivien

In Brasiléia an der brasilianisch/bolivianischen Grenze müssen wir unsere Pässe in der Stadt bei der Personalkontrolle und nicht an der Grenze selber abstempeln lassen. Als wir das Büro bereits verlassen haben, ruft uns der sympathische Beamte nochmals zurück und ermahnt uns eindringlich, wegen der Korruption in Bolivien alle Verkehrsregeln einzuhalten. Wir sind diesbezüglich bereits bestens vorgewarnt, bedanken uns aber trotzdem für den Tipp. Inzwischen sind wir spät dran und schaffen es nicht mehr, vor Schalterschluss an den Grenzposten und müssen uns dort Wohl oder Übel auf Morgen vertrösten lassen. Die Brasilianer zeigen sich am nächsten Morgen auch beim Zoll von einer sehr zivilisierten und professionellen Seite. Lucia und ich schauen uns an und wir sind uns einig, dass es auf der anderen Seite der Brücke bei den Bolivianern wohl kaum so weitergehen wird, zu schlecht ist der diesbezügliche Ruf, der Bolivien vorauseilt.

Und in der Tat, nur schon die Räumlichkeiten unterscheiden sich in etwa so wie ein stylisches Büro von einer Bambushütte! Ein Beamter, der bei uns auf Anhieb unsympathisch rüberkommt, blättert in unseren Pässen. Er murmelt etwas vom Ausreisedatum aus Brasilien, das nicht mit dem Einreisedatum in Bolivien übereinstimmt. Ist ja logisch, wenn man uns in Brasilien des Feierabends wegen nicht mehr hat ausreisen lassen! Unsere Ausführungen scheint er zu begreifen, macht aber trotzdem noch etwas rum und winkt mich anschliessend diskret alleine nach draussen. Meine inneren Alarmsirenen haben bereits von Beginn an zu schrillen begonnen, jetzt weiss ich, dass es konkret wird. Vor dem Büro nuschelt er etwas, dass er uns für 50 Bolivianos helfen könne. Das ist zwar für unsere Verhältnisse kein Geld aber erstens ist mir dieser Schleimer zuwider und zweitens haben wir nichts Unrechtes getan, zudem haben wir uns geschworen, wo immer möglich, korrupten Forderungen konsequent entgegenzutreten. In solchen Situationen kommen immer mal wieder sprachliche Barrieren zur Hilfe. Ich stelle mich dumm, habe nichts verstanden und spiele – auch das immer hilfreich – auf Zeit. Ein Weilchen geht das Geplänkel weiter, er denkt vermutlich, er könne uns schmoren lassen. Zwischenzeitlich kommt ein jüngerer, schneidiger Beamter rein und fragt irgendetwas auf Spanisch. Interessanterweise scheint danach die Situation etwas entspannt und unsere Pässe werden plötzlich ohne weitere Forderungen gestempelt.

Die nächste Hürde ist nun der Zoll, der noch die Formalitäten für das Fahrzeug erledigen muss. Das Büro am Grenzübergang ist jedoch zu und wir realisieren, dass bereits Samstag und somit das Büro bis Montags geschlossen ist – super! Der schneidige junge Beamte, der anscheinend mit seiner blossen Präsenz den Schleimer in die Schranken gewiesen hat, springt helfend ein. Er meint, wir könnten es in der Hauptzollabfertigung in der Stadt versuchen und fährt mich mit seinem Roller kreuz und quer durch Cobija. Die Hauptzollstelle aber ist zu meiner Enttäuschung auch zu. Zu guter Letzt misslingt auch der Versuch, dass uns im Polizeihauptquartier in der Stadt jemand die nötigen Papiere aushändigt. Es hilft leider alles nichts, wir müssen bis am Montag in dieser schmutzigen und stickigen Stadt ausharren. Unser Freund und Helfer – wir sind uns noch nicht sicher, was seine Forderungen sein werden – weiss auch hier Rat. Nur 50 Meter nach dem Grenzübergang befindet sich eine stillgelegte Tankstelle, unter deren Schatten spendende Überdachung wir uns für die zwei Wartetage stellen dürfen. Genial, nach dem anfänglichen Riesenfrust über die langweilige Warterei müssen wir uns immerhin nicht irgendwo in der Stadt in die brütende Sonne stellen. Wir saften auch im Schatten schon wie in der Sauna und fühlen uns kurz vor dem Hitzekollaps. Und das Genialste daran – wir dürfen zudem WC und Dusche der noch in Betrieb stehenden Imbissbar der Tankstelle benutzen, was wollen wir mehr! Ich nutze die Zeit, um den Peru-Reisebericht und die Bilder dazu vorzubereiten, unsere Mädchen lesen oder machen Schularbeit und Lucia bringt ihr Tagebuch wieder à jour. So wird diese Zwangspause alles in allem zu einem kurzweiligen Wochenende. Am Montag sticht uns im Zollgebäude ein Plakat einer Antikorruptionskampagne ins Auge und wir notieren die Nummer der entsprechenden Anlaufstelle noch so gerne – wer weiss!

Bereits nach den ersten 30 Kilometer müssen wir in einem Dorf wegen fehlenden Wegweisern nach der Richtung fragen und erhalten ziemlich gegensätzliche Auskünfte. Wenn wir nach dem nächsten Dorf auf unserer Karte fragen, weist man uns nach Süden und wenn wir nach dem Endziel fragen, nach Osten. Wir zweifeln am Verstand oder der korrekten Verständigung der Auskunftspersonen und verlassen uns auf unsere Karte. Am Dorfausgang überholt uns ein Rollerfahrer und weist uns an, anzuhalten. Er erklärt uns, dass rund 200 Kilometer von der Strasse, die wir nach Rurrenabaque fahren wollen, wohl auf der Karte eingezeichnet sein mögen, jedoch gar nicht existieren. Geplant habe man die Strasse zwar und auch das Geld sei vorhanden gewesen. Das jedoch sei in den Brusttaschen dubioser Politiker verschwunden. Wir bedanken uns, dass er so weitsichtig kombiniert hat und uns nachgefahren ist. Wir wären ansonsten stundenlang in die falsche Richtung gefahren. So aber führt unsere Route rund 250 Kilometer weiter über eine östlich liegende Strecke.

Die schmale Strasse führt durch wirklich abgelegene Gegenden und nur etwa alle 50 bis 60 Kilometer passieren wir kleine Ortschaften. Jeweils am Dorfausgang versperrt ein Schlagbaum den Weg und wir müssen uns auf dem angrenzenden Polizeiposten registrieren und auch Strassengebühren bezahlen. Gegen Abend kommen wir an einen breiten Fluss, den wir auf einem Ponton überqueren müssen (siehe Bilder). Die Fahrt dauert an die 20 Minuten und als mein Blick in der Mitte des Flusses dem Horizont entlang gleitet, kann ich die wahnsinnige Weite des ganzen Einzuggebietes des Amazonas bloss ein wenig erahnen, das sich über rund die Hälfte ganz Südamerikas erstreckt. Die Landschaft, die Menschen, das Klima, alles ist gegenüber den Andenregionen so grundverschieden, dass man sich in einer anderen Welt wähnt. Wir sind fasziniert von den roten Erd- und Schotterstrassen, die von üppigem Grün gesäumt sind, von den träge dahin fliessenden, braunen Flüssen, dem emsigen Treiben an den Ufern und der endlos scheinenden Weite. Wir würden gerne etwas länger in „Amazonien“ reisen, wenn da bloss Hitze und Feuchtigkeit etwas erträglicher wären oder wir in unseren vier Wänden eine Klimaanlage hätten. Zudem bin ich in unserer Familie das bevorzugte Opfer der „Mozzis“ und dafür hasse ich diese verfluchten Viecher echt.

Bereits eine Stunde später erreichen wir den nächsten Fluss mit Ponton-Fähre. Es ist jedoch etwas spät zum Übersetzen und zudem ist es ein geeigneter Übernachtungsplatz. Nach dem Eindunkeln beginnt es zu regnen und am Morgen liegt die ganze Umgebung in tiefem Morast. Wir fahren zum Flussufer und warten ein Weilchen. Als sich am andern Ufer, wo der Ponton vertäut ist, jedoch nichts rührt, hupen wir ein paar Mal. Das hat anscheinend gewirkt, denn es kommt nun Bewegung in die Szene. Auf der anderen Seite angelangt, kommt ein wild fuchtelnder Polizist angerannt und schimpft wie ein Rohrspatz mit den Fährburschen. Ich höre nur etwas von „ultimo“. Anscheinend hätten sie niemanden mehr übersetzen dürfen, bis sich die matschige Strasse wieder etwas verfestigt hat. Ein Kleinlaster steht bereits halb oben am steilen Flussufer und hat sich eingegraben. Die Fährburschen sind nervös und weisen mich an, mit Schwung vom Ponton runter zu fahren. Mit dem zugeschalteten Allrad und den Differenzialsperren kann jedoch von Schwung keine Rede mehr sein, dafür von genügend Traktion. Wir schaffen die Steigung ohne nennenswerte Probleme und hinterlassen nicht mal Fahrrinnen.   

Im Verlaufe des Tages gelangen wir von der Nebenroute auf eine mehr befahrene, breitere Strasse und das dichte Grün weicht einer offenen Pampa. Die Schotterstrasse ist, abgesehen vom teils sehr starken „Wellblech“ in gutem Zustand und so kommen wir bei einem Schnitt von ca. 70 km/h gut vorwärts. Ein paar Mal wird das Wellblech allerdings so intensiv, dass es sich auch bei 80 km/h noch anfühlt und anhört, als würde es uns nächstens das Fahrwerk zerlegen. Es hilft nichts, wenn die Rippen der Wellblechpiste so hoch sind und sich so weit auseinander befinden, gibt es nur zwei Varianten. Entweder man hoppelt mit 10-15 km/h über die Piste und fährt jede einzelne Welle aus oder man beisst auf die Zähne und gibt beherzt Gas, bis man so schnell ist, dass die Räder den Boden nur noch ganz oben auf den Rippen berühren. Dann geht das furchtbare Geschüttel und Geschepper in ein akzeptables Vibrieren über. Meistens wähle ich in solchen Situationen die zweite Variante, da ich das Geschaukel bei Schritttempo hasse. So breche ich alle meine Rekorde und brettere mit satten 100 Sachen über die Piste. Es fühlt sich fast an wie fliegen, erfordert aber absolute Konzentration. Wenn da z.B. ein Rind auf die Piste läuft oder plötzlich ein grösseres Loch vor einem auftaucht, wird es extrem ungemütlich, denn der Bremsweg ist unter solchen Bedingungen verdammt lange.

Zwischendurch tauchen vor uns kleinere Rinderherden auf und mehr und mehr wird aus der verbuschten Pampa reines Weideland grosser Farmen. Irgendwann werden all die Ausbaggerungen vom Strassenbau her, die die Strasse in regelmässigen Abständen rechts und links säumen, nass und nässer, bis sie schliesslich zu regelrechten Teichen werden. Das zieht jede Menge kleine und grosse Wasservögel aus dem nahe gelegenen Seengebiet an. Sogar ein paar Marabus mit ihren mächtigen Schnäbeln können wir beobachten und zu guter Letzt sehen wir jede Menge Kaimane, die entweder im Wasser tümpeln oder sich an Land sonnen. 

Nach spannenden 800 Kilometern abseits von Asphaltstrassen erreichen wir schliesslich Rurrenabaque. Es ist ein aufgeräumter, sehr touristischer Ort und zudem hängen hier wieder mal die Kabel sehr tief. So muss ich einmal mehr den Affen spielen und mich ein halbes Dutzend Mal aufs Dach hangeln, um keinen Schaden zu hinterlassen. Das gibt ziemlich viel Aufsehen bei den vielen Leuten, die die Strasse bevölkern. Kaum haben wir unser Fahrzeug in einer Seitenstrasse abgestellt und wollen auf Erkundungstour gehen, kommen auch schon zwei Polizisten auf einem Motorrad angebraust. Man fragt uns, ob wir Probleme mit den Kabeln gehabt hätten. Ich verneine, denn es hängen ja alle noch oben. Trotzdem zitiert man uns auf den Posten, um mit uns den genauen Sachverhalt zu klären. Sch… das riecht nach Aderlass. Auf dem Posten befragt uns ein sympathisch wirkender Beamter und belehrt uns anschliessend, dass schwere Fahrzeuge nur bestimmte Strassen befahren dürften und dass dies entsprechend signalisiert sei. Diese Hinweise müssen jedoch gut getarnt sein, denn gesehen haben wir sie nicht. Er hält einen längeren Monolog, aus dem ich vor allem ein Wort verstanden habe: „Sanctiones“, oder zu Deutsch Busse. Wir verstecken uns einmal mehr hinter Verständigungsproblemen und hoffen, es damit irgendwie aussitzen zu können. Da betritt ein grosser, stämmiger Mann mit Vollbart und in einem T-Shirt mit der Aufschrift „Sheriff“ den Posten und beginnt sogleich in Spanisch auf den Beamten einzureden, der uns verhört. Im ersten Augenblick vermute ich einen nicht uniformierten Vorgesetzten in ihm, nach einigen Sätzen aber richtet er sich mit „i ha ghört, es sigid füüf Schwiizer verhaftet worde“ an uns und redet sofort wieder in Spanisch auf den Beamten ein. In dessen Erwiderungen ich wieder mehrmals das bekannte “Sanctiones“ ausmache.

Schlussendlich haut uns Jürg, wie er sich nachher vorstellt, ohne jegliche „Sanctiones“ bei der Polizei raus und lotst uns aus dem Ort raus auf seinen „El Mirador“. Dort besitzt er ein kleines Ressort mit Restaurant, mehreren Bungalows und einem herrlichen Pool. Für Reisende mit eigenem Fahrzeug ist er gerade dabei, einen schönen Campingplatz einzurichten. Wir sind heilfroh, die Situation schadlos überstanden zu haben und an diesem herrlichen Ort zu sein mit Sicht auf „Rurre“ und die endlose Ebene. Unser Retter in der Not, Jürg Steiger, ist weit herum bekannt wie ein „bunter Hund“. Als Strassen- und Brückenbau Ingenieur hat er in den letzten 20 Jahren im wahrsten Sinne des Wortes viel bewegt in Bolivien. So hat er auch hier in „Rurre“ den Rio Beni, der langsam drohte, der Stadt das Land abzugraben, in die Schranken gewiesen. Nach der Realisierung einiger Gebäude in der Stadt hat er ausserhalb einen ganzen Hügel erworben und diesen mit der nötigen Infrastruktur wie Strasse, Trinkwasser und Strom versorgt und den Resort „El Mirador“ erbaut. In noch etwas höherer Lage hat er für sich ein futuristisches Rundhaus errichtet. 

Es ist ein optimaler Ort, um unser Gefährt ein paar Tage allein zu lassen. Mit einer kurzweiligen Bootsfahrt ca. 50 Kilometer den Rio Beni hinunter gelangen wir zum Naturreservat Serere. Das Haupthaus des Dschungelcamps liegt in herrlicher Lage an einem See. Die Schlafhütten, deren  Wände bloss aus Moskitonetzen bestehen, befinden sich aber etwa 500 Meter davon entfernt mitten im Urwald. So spürt man spät abends, wenn man müde im Bett liegt, den Dschungel mit all seinen Geräuschen fast schon hautnahe. Es ist faszinierend, im bequemen Bett zu liegen und in den durchs Vollmondlicht leicht erhellten Dschungel zu schauen, um vielleicht irgendwo einen Schatten eines nachtaktiven Tieres zu erspähen oder einfach nur den vielen Geräuschen zu lauschen. Es ist so faszinierend, dass wir uns jeden Abend das zu Bett gehen ersehnen. In den drei Tagen im Park unternehmen wir Kanutouren auf dem See, eine davon nachts, wo wir im Taschenlampenlicht die orange leuchtenden Augen der Kaimane aufspüren, machen Wanderungen bei Tag und Nacht, liegen zwei Stunden mucksmäuschenstill auf der Lauer, um Wildschweine zu beobachten und zu guter Letzt gehen wir noch Piranhas fischen (siehe Bilder). Würden wir das feucht-heisse Klima und den Umstand, dass einen vom Morgen bis am Abend die Kleider am Körper kleben, besser ertragen, würden wir es auf diesem herrlichen Flecken Erde noch lange aushalten. So aber freuen wir uns dann doch auf die luftige Rückfahrt im Boot nach „Rurre“. Dort geniessen wir bei Jürg nochmals die relaxte Atmosphäre im und rund um den Pool und auch das herrliche Essen. Zudem lasse ich mich inspirieren, um den Reisebericht über Peru, den ich in Cobija vorbereitet habe, fertig zu stellen. Schlussendlich müssen wir uns nach ein paar Tagen richtiggehend losreissen von diesem kleinen Paradies, denn weitere Abenteuer warten auf uns und die Zeit bleibt leider auch bei uns nicht stehen.

Zwei Tage und ein paar hundert spannende, teils sogar atemberaubenden Kilometer weiter biegen wir in eine Strasse ein, die von Beginn an auf meinem Programm gewesen ist. Aus taktischen Gründen gegenüber meinen vier Frauen habe ich allerdings immer offen gelassen, ob wir sie auch wirklich befahren werden und habe die Zeit arbeiten lassen – es ist der „Camino de la Muerte“ oder zu Deutsch Todesstrasse. Ihr haftet der schreckliche Ruf als gefährlichste Strasse der Welt an, was für ein Abenteurerherz alleine schon fast Verpflichtung ist. Ganz zu schweigen von den landschaftlichen Reizen (siehe Bilder). Tatsache ist, dass der „Camino“, seit eine alternative, asphaltierte Strasse eröffnet worden ist, nur noch von Reisenden und Mountainbikern befahren wird und nicht mehr als Hauptverkehrsachse dient. So liegen die Gefahren heute lediglich in der extrem ausgesetzten Führung der Strasse entlang tiefer, senkrecht abfallender Felswände ohne jegliche Sicherungen und sehr exponierten Kurven. Jedoch nicht mehr in menschlicher Bedrohung durch übermüdete Truck-Fahrer oder tollkühne, angetrunkene Jugendliche. Die schreckliche Vergangenheit aber ist wegen den hunderten von Kreuzen und Blumengestecken entlang der Strecke heute noch sehr präsent. Schlussendlich sind wir uns alle einig, in Peru haben wir wesentlich heiklere Situationen erlebt, bei denen einem wirklich das Blut in den Adern hätte stocken können. Was zu denken gibt, ist die Tatsache, dass seit die Veranstalter von Biketouren den „Camino“ als Adrenalinkick für waghalsige, jedoch oft unerfahrene Biker entdeckt haben, bereits mindestens acht Menschen in den Tod gestürzt sind. Als „sinnige“ Trophäe erhalten die Biker nach ihrer Fahrt vom Veranstalter ein T-Shirt mit dem Aufdruck „I survived  the most dangerous Road of the World“. Ironie des Schicksals für diejenigen, bei denen das T-Shirt zum Totenhemd geworden ist. Wir haben richtig kalkuliert und sind morgens zeitig losgefahren, denn als wir oben in die neue Strasse einbiegen, kommen sie einer nach dem andern angefahren, die Tourenveranstalter mit ihren Kleinbussen, voll gestopft mit Bikes und Touristen. Eine halbe Stunde später und die Biker wären uns wahrscheinlich wie ein Schwarm Hornisse entgegen geschwirrt, was angesichts unserer Dimensionen für den einen oder andern vermutlich nicht ganz ohne Stress abgelaufen wäre.

Zwei Stunden später fahren wir von der Passhöhe des 4'725 Meter hohen La Cumbre los Richtung La Paz und befinden uns, kaum sind wir richtig gestartet, bereits an deren Stadtrand. Unsere Gefühle pendeln angesichts dieser speziellen Stadt zwischen Faszination und Konsternation. Zum einen ist die Lage der höchstgelegenen Hauptstadt der Welt innerhalb einer Mondlandschaft echt faszinierend und man fragt sich, was die Menschen ursprünglich dazu gebracht haben mag, hier zu siedeln. Auf der anderen Seite können sich unsere Augen einfach nicht recht an den Anblick der abertausenden von unverputzten Häuserfassaden gewöhnen, die ein so elendes Bild vermitteln. Auch der Umstand, dass die Elendsviertel oben auf El Alto liegen, und die Oberschicht im Talkessel haust, ist auf den ersten Blick befremdend. In unseren Breitengraden zieht es die besser Betuchten doch immer nach oben an die Hügel. Wer allerdings auf dieser Höhe - El Alto liegt auf über 4'000 m.ü.M., schon mal ein paar schnelle Schritte getan hat, dem wird schnell klar, dass hier der Sauerstoffgehalt und das mildere Klima tieferer Lagen ausschlaggebend sind. Ich auf jeden Fall bin heilfroh, als wir im Stadtteil Mallasa auf 3'400 Metern ankommen und im „Oberland“, einem Hotel mit kleinem Campingplatz unseren Standplatz beziehen können. Ich habe heute viel zu wenig getrunken und das rächt sich auf dieser Höhe mit ersten Anzeichen von Höhenkrankheit, denn ich habe seit Stunden ein grässliches Schädelbrummen.

Das „Oberland“ ist vor 20 Jahren ebenfalls von Jürg aus „Rurre“ erbaut und betrieben worden, bis er es dann an den Schweizer Walter Schmid verkauft hat. Das "Oberland" ist wie der Campingplatz in Cusco ein neuralgischer Punkt, wo sich viele Reisende mit eigenem Fahrzeug treffen. Wie schon in Cusco wollen wir auch hier nur wenige Tage bleiben, es werden aber schlussendlich deren acht. Zum einen habe ich hier die Gelegenheit, dank Wireless-Verbindung von unserem bequemen Zuhause aus die Peru-Bilder und den Reisebericht dazu ins Netz zu stellen. Zum andern wollte ich schon lange mal die Kleiderkästen unserer Mädchen neu einrichten und mit Zwischentablaren versehen. Das mit der Homepage wird dann allerdings zur krassen Geduldsprobe, da die WIFI-Verbindung sehr langsam und die Signalstärke zudem sehr gering ist und ich dazu immer wieder Abstürze des Programms hinnehmen muss. Wer mich näher kennt, weiss, dass es im Leben durchaus Bereiche gibt, in denen ich über eine Engelsgeduld verfüge. Zu diesen Bereichen gehören aber sicherlich nicht IT-Belange. Bei Problemen mit dem PC kann ich recht schnell sehr ungehalten werden. So müssen mich meine vier Mädels zwischendurch wieder etwas herunterholen, wenn ich kurz davor bin, den Lap-Top entweder mit dem Hammer zu erschlagen, dem Küchenmesser zu erstechen oder dem Pfefferspray zu vergasen! Zwei Tage und ein paar Wutausbrüche später ist es aber geschafft. Gut, dass man dem Endprodukt nicht ansieht, was manchmal an Frust und Leidensweg vorangeht. 

Natürlich unterlassen wir es auch nicht, in den herrlichen Märkten von La Paz stundenlang herumzustöbern und uns mit allerlei Souvenirs und Geschenken einzudecken. Zudem kaufen unsere Mädchen Riesenmengen an Stoff und Zierbänder, da sie einiges an Nähplänen haben. 

Über den Altiplano, der weltweit grössten Hochebene, die sich über rund 1’000 Kilometer vom Süden Perus, durch Bolivien bis nach Argentinien erstreckt und im Schnitt auf 3’600 m.ü.M. liegt, gelangen wir nach Oruro. Von dort geht die Fahrt weiter nach Potosí, der mit 4'060 m.ü.M. weltweit höchstgelegenen Stadt. Ja, Bolivien ist wirklich ein Land, das mit Superlativen nicht geizt und nur so von natürlichen und auch von Menschen gemachten Rekorden strotzt. In Potosí, das einst wegen grossen Silbervorkommens die grösste und reichste Stadt Lateinamerikas gewesen ist, unternehmen wir eine Minentour und sind ob der herrschenden Konditionen, unter denen die Männer im Berg schuften, echt erschüttert (siehe Bilder). Die grossen Silbervorkommen sind längst abgebaut und was man heute noch aus dem Berg holt, reicht gerade so zum Leben.

Nach einem Abstecher nach Sucre übernachten wir nochmals auf der Plaza de Estudiantes in Potosí. Morgens um halb fünf kommt mich Alexandra wecken. Da seien zwei Männer, die am Vorderrad hantieren! Noch schlaftrunken wie ich bin schiesst mir als erstes durch den Kopf, es könnten Polizisten mit einem Radschuh sein. Ich gucke sofort aus dem Seitenfenster und sehe zwei junge Burschen mit einem Armiereisen an unserem Batteriekasten fummeln. Ich schreie sie mit ein paar nicht jugendfreien Fluchwörtern auf Englisch an (auf Spanisch kenne ich leider nur nette Dinge). Völlig perplex starren mich nun vier riesengrosse Augen an. Das im Schock fallen gelassene Armiereisen scheppert laut zu Boden und dann rauchen nur noch die Sohlen. Bis an den Horizont sehe ich sie rennen. Eigentlich habe ich falsch reagiert, denke ich nachträglich. Ich hätte den Burschen eine echte Lektion erteilen und ein Blitzlichtfoto machen und sie dazu mit Pfefferspray eindecken sollen. Nun gut, zumindest ist ihnen hoffentlich das Herz in die Hose gerutscht, denn doof wie die Zwei sind, haben sie nicht realisiert, dass es sich bei unserem Gefährt um ein „Casa Rodante“ handelt, wo Menschen drin leben. Und im vermeintlichen Werkzeugkasten, an dem sie hantiert haben, sind bloss die Batterien. Diese mordsschweren Dinger in so dünner Höhenluft wegzutragen hätte ich den beiden Strauchdieben nicht zugetraut. Alles in allem sind wir aber froh, dass diese erste Attacke gegen uns so stümperhaft und nicht mit mehr krimineller Energie erfolgt ist. 

Durch märchenhafte, andine Landschaften gelangen wir nach Uyuni, einer Stadt nahe dem gleichnamigen Salar de Uyuni. Als wir von den Bergen in die riesige Ebene in die Stadt fahren, fällt uns als erstes die massive Verschmutzung rund um die Stadt auf. Es gibt keinen der tausenden von dicht über die Landschaft verstreuten Steppengrasbüscheln, der nicht mit Plastiksäcken oder zumindest Fetzen davon über und über voll gespickt wäre. Überhaupt sind Plastiksäcke in Südamerika allgegenwärtig und werden, egal was und wie viel man einkauft, exzessiv an die Kunden abgegeben. Kaum einer, der mit der eigenen Einkaufstasche auf dem Markt oder im Shoppingcenter erscheint. Aber so etwas wie hier in Uyuni, wo der immerwährende Wind alles was er tragen kann, gleichmässig über die Landschaft verteilt, haben wir noch nie gesehen. Die Szenerie ist so absurd, dass es schon fast wieder Verpackung-Kunst von Christo und Jeanne-Claude sein könnte.

Wir lassen uns weiter nicht beirren und erfreuen uns an den schönen und interessanten Dingen wie z.B. dem berühmten „Cementerio de Trenes“, der etwas ausserhalb der Stadt liegt. Hier werden, weil genügende Platz vorhanden ist, seit Jahrzehnten alte Dampfloks und Waggons, die teils ausrangiert worden sind oder von Unfällen herrühren, abgestellt und dem Zahn der Zeit überlassen. Unsere Mädels murren zuerst ob meiner Faszination für soviel Alteisen, werden aber je länger je begeisterter, als sie so richtig auf dem riesigen Gelände herumtollen können und in den herumliegenden Kleinteilen stöbern dürfen. Ich werde prosaisch und fange an zu dichten: „Die Familie auf Reisen mit Flair fürs Alteisen“ und so…, was postwendend auf Missfallen stösst. „Werd nicht peinlich, Dädi!“ So einer der Standartsätze, den ich mir in solchen Situationen vermehrt anhören muss. Ja ja, die Jugend, erst noch haben die Kleinen stolz zu einem aufgeschaut und nun ist man auf einmal nur noch peinlich, seufz! Undank scheint der Welten Lohn! Aber das hält mich nicht vom Dichten ab und so meine ich ganz im Sinne positiven Denkens: „Zurzeit spielen halt die Hormone verrückt, aber eigentlich sind unsere Mädels ja gut geglückt!“ 

Eines der grossen Highlights unserer Reise ist der Salar de Uyuni. Er liegt auf 3'650 m. ü. M. und ist mit seinen 12'000 km2 fast ein Drittel so gross wie die Schweiz und weltweit (einmal mehr) der grösste Salzsee. Seine Salzkruste ist rund 30 Meter dick und beinhaltet etwa 10 Milliarden Tonnen Salz. Davon werden jährlich an die 25'000 Tonnen abgebaut. Und jetzt, da wir vom Festland auf die riesige Salzfläche fahren, sind wir echt enttäuscht. Sandstürme haben in den letzten drei Wochen die schneeweisse Fläche bräunlich eingefärbt. Nach über 100 Kilometern Salzpiste erreichen wir die Insel Pescado mitten auf dem Salar. In einer etwas windgeschützten Bucht sind wir mutterseelenallein und stellen uns für die Nacht auf. Hier ist die Salzfläche auch bereits etwas weisser und wir versöhnen uns mit dem Salar. Arglos sind wir hergekommen, denn es wurde uns gesagt, vor Januar regne es nicht auf dem Salar! Was sich aber über den Bergen langsam zusammengebraut hat, schiebt sich nun sehr schnell über die riesige Salzfläche und plötzlich werden wir von Sturmböen zerzaust. Wir können gerade noch alle Schoten dicht machen und schon trommeln die ersten schweren Regentropfen auf unser Dach. Ein bisschen Regen wird wohl Morgen in der sengenden Sonne schnell verdunsten, denken wir, schlafen aber trotzdem mit etwas ungutem Gefühl ein. Was, wenn morgen der ganze Salar unter Wasser steht? Und in der Tat, das tut er dann auch. Der Anblick aber ist faszinierend. Der ganze Horizont spiegelt sich perfekt in der spiegelglatten, etwa 10mm tiefen Wasserfläche. Zu unserer Beruhigung bleibt das Salz auch unter Wasser betonhart und wir sind zudem überzeugt, dass das Wasser bis am frühen Nachmittag verdunstet ist. Das bleibt dann allerdings Wunschdenken und so fahren wir nachmittags um Drei nach etwas Überwindung auf die nasse Salzfläche. Um das Spritzwasser der sehr korrosiven Salzlösung so gering als möglich zu halten, fahren wir mit 10 km/h zur kleineren Insel Incahuasi, wo wir über Nacht bleiben wollen. Unsere Mädchen möchten schon lange mal auf dem Dach mitfahren und bei diesem Tempo kann ich ihnen diesen Wunsch wirklich nicht abschlagen. Das gibt ein Fest!

Was uns zuerst erschreckt hat, wird nun zum grossen Glücksfall. Weite Teile des Salars sind durch den Regen weissgewaschen und wirken wie eine endlose Schneewüste. So erleben wir in nur zwei Tagen alle Gesichter dieses Wunders der Natur. Auch am nächsten Morgen ist das Wasser nicht restlos verdunstet und so fahren wir fast fünf Stunden lang mit blockiertem Gas mit 10-15 km/h nach Süden, um den Salar zu verlassen. Unsere Mädchen dürfen abwechslungsweise den LKW steuern, was für sie schon fast wie Weihnachten ist und ich geniesse es, mich gemütlich auf den Rücksitzen zu räkeln oder klettere aufs Dach, um Fotos zu schiessen. Auch das Kind im Manne meldet sich und so springe ich vom fahrenden Fahrzeug runter, um nebenher zu rennen und dann wieder aufzuspringen. So wie kleine Jungs halt!! 

Rund 170 Kilometer haben wir auf dem perfekt ebenen Salzsee ohne jegliches Schaukeln oder Schütteln genossen und jetzt geht es wieder los und zwar von der heftigsten Sorte. Etwa 450 knüppelharte Kilometer in unwegsamem Gebiet entlang der chilenischen Grenze liegen vor uns. Da wir nach wie vor ohne GPS und nur mit Kompass, dürftigem Kartenmaterial und unserem Orientierungssinn fahren, wird die Entscheidung bei der einen oder andern Verzweigung in „the middle of nowhere“ manchmal zum Glücksspiel.

So ist es auch bei einem kleinen Seitenweg, der von der Himmelsrichtung und der Topographie der umliegenden Berge her mit unserer Karte in etwa übereinstimmt. Jedoch scheint dieser Weg anhand der starken Überwucherung sehr selten befahren zu werden und unser Verstand sagt uns von Beginn weg, dass wir vermutlich wieder umdrehen müssen. Aber zu herrlich sind der Weg und die Landschaft und so fahren wir drauflos. Zuerst durch eine Ebene mit herrlich goldgelb leuchtendem Ichugras, dann durch von Wind und Wetter skurril geformte Felsformationen und nach etwa 15 Kilometern folgt die Traversierung eines steilen Abhanges. Hier wird es nun zur Gewissheit, dass diese Strasse nicht mehr benutzt wird. Lucia drängt auf Umkehr, ich aber nutze die Gunst der Stunde und lasse mir an diesem für mich einschneidenden Tag den Spass und auch meinen Wunsch nach Weiterfahrt nicht abschlagen. Es ist der 27. November und somit mein 50ster Geburtstag! Endlich kann ich ein bisschen meinen Drang nach unausgetretenen Pfaden ausleben. Als der Weg leicht ansteigt, verlieren sich die Spuren langsam in weit gestreuten Auswaschungen, die von den seltenen aber dafür intensiven Regenfällen herrühren. Ein paar hundert Meter arbeiten wir uns noch durch Geröll und Gräben von bis zu 50 cm Tiefe durch. So richtig Spass am durchackern und am Geschaukel haben aber nur noch Leonie, Gillian und ich. Mit Umdrehen jedoch habe ich schon immer meine Mühe gehabt und dies kommt wirklich nur im äussersten Notfall – sprich „vier gegen einen“ - in Frage. Dann aber stehen wir plötzlich vor einem Graben, der über einen Meter tief und eineinhalb Meter breit ist. Leider bin ich der einzige, der Lust auf etwas Fitness mit der Schaufel hat und so drehen wir schlussendlich halt doch um.

Zurück auf der Hauptpiste, die in die falsche Himmelsrichtung führt, suchen wir weiter nach der richtigen Spur, die südlich wegführt. Und so marschieren Lucia und ich zur einzigen an der Strasse liegenden Hütte. Mit lauten Rufen machen wir uns bemerkbar, bis ein alter Mann erscheint, der uns mit nur noch zwei Zähnen im Mund anlacht. Wir haben ihn anscheinend vom stillen Örtchen aufgescheucht, denn mit der einen Hand muss er sich die noch nicht ganz nach oben gezogene Hose halten. Er gibt uns kompetent, wenn auch nicht gerade leicht verständlich Auskunft und fragt nach etwas Essbarem, was wir ihm natürlich hier draussen nicht abschlagen wollen. Glücklich strahlend nimmt er ein Pack Bisquit und ein paar Zigaretten, die wir für solche Gelegenheiten gekauft haben, entgegen und wünscht uns „buen viaje“. Ein paar Kilometer zurück geht eine unscheinbare Spur links weg, die uns durch eine hügelige und sehr steinige Landschaft an mehreren wunderschönen Lagunen vorbeiführt. Als es dämmert, beziehen wir an der Laguna Ramaditas Nachtlager um in aller Bescheidenheit meinen Geburtstag zu feiern. Der ganze Tag mit der abenteuerlichen Fahrt und auch der herrliche, einsame Nachtplatz machen die fehlende Party aber mehr als wett.

Auch anderntags geht die Landschaft mit ihren tausend Gesichtern weiter. Einmal erfreuen sich unsere Augen an herrlichen, im Sonnenlicht goldgelb leuchtenden Steppen, dann wieder riesigen wüstenähnlichen Ebenen oder skurrilen Felslandschaften. Wie auch immer sich die Landschaft präsentiert, der Horizont rundum wird überall von Vulkanen und Berggipfeln von weit über 5'000 Höhenmetern geprägt, die in ihrer Farbenvielfalt nicht verrückter sein könnten. Da wechseln sich weiche Rot- Grün- Violett- Gelb- Braun- und Grautöne in allen Kombinationen ab. Die Tierwelt hier draussen allerdings ist bescheiden. Ausser den weit verbreiteten Vikunjas sehen wir nur einige Viscachas, hasengrosse Nagetiere und Verwandte der Chinchillas. Weniger geizt die Natur bei den Wasservögeln in den vielen Lagunen. Vor allem die drei verschiedenen Arten von Flamingos, die in ganzen Hundertschaften im seichten Wasser stehen und mit ihren speziell beschaffenen Schnäbeln und Zungen Plankton aus dem Wasser filtern. 

Rund 60-70 Kilometer vor der chilenischen Grenze müssen wir bereits die Zollformalitäten erledigen. Die Zollstation liegt einige Kilometer abseits der Hauptroute bei einer Mine auf ca. 5'050 m.ü.M. und ist der bisher höchste Punkt, den wir mit unserem Fahrzeug bewältigt haben. In dieser Höhe spürt man schon eine stark verminderte Motorleistung und muss am Berg mindestens ein- oder auch zwei Gänge tiefer schalten als üblich. Zeit hat uns dabei aber nur der Umweg gekostet, die Formalitäten selber sind nach 30 Sekunden erledigt - im Zollbüro unser Formular von der Einreise abgeben, Hände schütteln und weiterfahren. Es ist bereits kurz vor Sonnenuntergang und so sputen wir uns, die Laguna Salada zu erreichen, wo wir noch vor dem Eindunkeln in die heisse Therme steigen möchten. Wir hocken Mutterseelen alleine über eine Stunde im 38-gradigen, kristallklaren Wasser, bis der Vollmond hell am Himmel steht und das auf 4'300 m.ü.M. Am nächsten Morgen wiederholen wir dasselbe bei Sonnenaufgang. Dann ruft uns die letzte Attraktion von Bolivien, die Laguna Verde nur wenige Kilometer von der chilenischen Grenze entfernt.

Bolivien ist das ärmste Land Südamerikas und ein entsprechender Ruf ist ihm bezüglich Korruption, Strassenblockaden, regionalen Engpässen bei der Kraftstoffversorgung, schlechte Strassen sowie qualitativ eingeschränkte Verpflegung vorausgeeilt. Bezüglich Korruption haben wir uns bereits in den ersten Minuten in Bolivien genervt, es ist allerdings ein Einzelereignis geblieben. Eine der vielen Strassenblockaden, mit denen die Bolivianer gerne ihre Anliegen versuchen durchzusetzen, haben wir um einen Tag verpasst. Nur noch die zig gefällten und über die Strasse gelegten Bäume, die bereits zersägt am Strassenrand gelegen haben, haben wir noch gesehen. Diesel hat nur eine einzige Tankstelle nicht bieten können, da sie ausverkauft gewesen ist. Ein paar Kilometer weiter haben wir wieder Tanken können. Die Strassen der Hauptverkehrsachsen sind weitgehend einwandfrei und wenn man abseits davon unterwegs ist, sieht es auch in Nachbarländern nicht viel besser aus. Zu guter Letzt kommt das leibliche Wohl und da haben wir, zumindest mit unserer räumlich begrenzten und subjektiven Erfahrung fast nur Positives erlebt. Sicherlich haben wir den einen oder andern Markt oder Lebensmittelladen in abgelegenen Gegenden besucht, dessen Angebot nicht sehr erbaulich gewesen ist, haben aber anderseits in touristischeren Gegenden beim Auswärtsessen wieder ein köstliches Angebot genossen.   

Zwei Themen sind noch, die ich kurz ansprechen möchte, nämlich die viel beschriebene Reserviertheit der Bolivianer und etwas das uns persönlich aufgefallen ist, die Sauberkeit! Die Bolivianer und Bolivianerinnen gelten als zurückhaltend bis unfreundlich, was wir zumindest beim Verkaufspersonal auf den Märkten weitgehend bestätigen können. Jedoch haben wir die fast schon vornehme Zurückhaltung der Verkäuferinnen in den vielen Souvenirshops, in denen man die Sachen ungestört anschauen konnte, ohne sofort mit Angeboten gelöchert zu werden, sehr genossen. Diesbezüglich haben wir uns im Süden von Peru oft genervt und haben viele Shops erst gar nicht betreten. Auch im allgemeinen Umgang haben wir einen klaren Unterschied zu den bisherigen Ländern verspürt, in denen man viel offener auf Fremde zugeht. Diese Zurückhaltung haben wir hier jedoch keinesfalls unangenehm empfunden.

Bezüglich Sauberkeit hat uns Bolivien insgesamt, das heisst abgesehen einiger regionaler Ausreissern wie z.B. Uyuni, total überrascht. Die Dörfer und Städte, die wir bereist haben, sind oft auffällig sauber gewesen und auch die ansonsten üblichen Schutthalden ausserhalb der Siedlungen haben weitgehend durch Abwesenheit geglänzt. Entweder, man versteckt den „Güsel“ hier einfach besser vor den Augen der Besucher oder Bolivien unterhält ein gegenüber Peru tatsächlich besseres Abfallmanagement. Abschliessend sind wir uns definitiv einig, Bolivien ist ein Land mit wunderbarer, vielfältiger Natur die auf uns „Nordländer“ sehr exotisch wirkt und mit Menschen, die mit ihrer Zurückhaltung durchaus unserer Wesensart entsprechen. In unserem eigenen Ranking steht Bolivien mit Peru an erster Stelle. Bolivien, wir kommen wieder!

Ende